Finanzwelt und Frauen – Fördern und Befördern

03.12.2014

Eine aktuelle Studie zeigt, dass der geringe Anteil von Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen der Assekuranz und Banken etwas mit der Kultur und dem Selbstverständnis beider Branchen zu tun hat.

2014-12-04 (fw/db) In keiner Branche haben Frauen noch so geringe Chancen, aus dem mittleren Management in die Führungsetage aufzusteigen wie in der Finanzwirtschaft. Eine aktuelle Studie der Managementberatung Oliver Wyman sagt, einer der Hauptgründe dafür liege in der Kultur der Branche. Diese sei von traditionell als männlich wahrgenommenen Attributen geprägt, wodurch eine unbewusste Tendenz entsteht, Frauen zu benachteiligen.

Nur vier Prozent der global größten Finanzdienstleistungsunternehmen werden von einer Frau geführt. Der Anteil der Frauen auf Ebene der Konzernleitung liegt bei 13 Prozent. Verglichen mit anderen Industrien ist der Prozentsatz der weiblichen Führungskräfte damit auf einem absolut niedrigen Niveau.

Die Studie „Women in Financial Services“ beruht auf quantitativen und qualitativen Analysen zur Geschlechterverteilung von Führungskräften bei mehr als 150 globalen Finanzunternehmen sowie einer Befragung von 1.000 Angestellten und Studentinnen und Studenten der Branche. (Die Studie steht kostenfrei als Download am Ende dieser Meldung bereit.)

Der Anteil von Frauen in Aufsichtsräten der Assekuranz und Banken ist in den vergangenen Jahren zwar gestiegen, auf Konzernleitungsebene bleiben sie jedoch mit 13 Prozent klar unterrepräsentiert. Die Frauenquote steigt nur langsam. Häufig werden die Positionen mit Frauen besetzt, in denen der Erfolg nicht unmittelbaren Einfluss auf Gewinn und Verlust hat. Es sind jedoch gerade diese Posten mit unmittelbarem Bezug zur Unternehmensbilanz, die gemäß der Studie an die Spitze führen.

In den Bereichen Recht, Compliance, Audit und Marketing werden über 25 Prozent der Stellen als Führungskraft mit Frauen besetzt, im Bereich Personal sogar in über der Hälfte der Fälle. Diese Manager-Positionen haben keinen direkten Einfluss auf die jeweils aktuelle Unternehmensbilanz.

Signifikante Unterschiede nach Ländern

Auffällig sind die Unterschiede hinsichtlich des Anteils von Frauen in Führungspositionen von Finanzinstituten zwischen den untersuchten 19 Ländern. In Skandinavien wurden die deutlichsten Fortschritte festgestellt. In Norwegen 35 Prozent der Konzernleitungsmitglieder weiblich, in Schweden 29 Prozent. Auch Russland schneidet mit 20 Prozent gut ab.

Deutschland landet mit Rang 15 von 19 im hinteren Drittel. Hierzulande hat sich der Anteil der Frauen in Führungspositionen im Zeitraum von 2003 bis 2013 auf sehr niedrigem Niveau von zwei auf sieben Prozent erhöht. In Japan war in 2013 kein einziger Vorstandsposten von einer Frau besetzt.

Viele Frauen sind beste Nachwuchs-Talente

Die Studie stellt fest, dass sich die Dominanz von Männern in Führungspositionen der Finanzbranche ändern muss, wenn die Unternehmen Talente effektiv nutzen und Diversität in den Führungsetagen erhöhen wollen.

„Der Mangel an Vielfalt in unserer Branche – ob Geschlecht oder anderweitig – verringert auf lange Sicht die Geschäftschancen. Die Finanzdienstleistungsbranche greift im Wettbewerb um Talente zu kurz und ist beim Thema Diversität noch lange nicht am Ziel“, sagt Finja Carolin Kütz, Partnerin bei Oliver Wyman. „Eine diverse Arbeitswelt verbessert Entscheidungsfindung, Leistung, Nachhaltigkeit, Service und Erträge. Die Veränderungen müssen über den evolutionären Wandel hinaus vorangetrieben werden.“

Wie die Studie zeigt, hindern zum einen die aktuellen Arbeitsmodelle in der Finanzbranche Frauen am Erfolg. Interviews mit Führungskräften zeigen, dass die Kultur der Finanzdienstleistungsbranche von traditionell als männlich wahrgenommenen Attributen geprägt ist, wodurch eine unbewusste Tendenz entsteht, Frauen zu benachteiligen.

Frauen und Männer nehmen die damit verbundenen Herausforderungen ganz unterschiedlich wahr: 51 Prozent der Frauen finden, dass eine fairere Geschlechterverteilung in Führungspositionen oberste Priorität haben sollte, doch nur 30 Prozent der Männer sind derselben Meinung.

Die Erhöhung der Vielfalt in Führungspositionen von Finanzunternehmen ist für mehr Unternehmen ein zentrales Thema. Um Diversität umzusetzen, muss dies von einem stiefmütterlichen Projekt der Personalabteilung zu einer grundsätzlichen Bedingung für die Führung von Finanzinstituten werden, fordern die Autoren der Studie.

Dietmar Braun

Download der Studie „Women in Financial Services“ (in englischer Sprache)