Schwellenländer versus Europa
08.11.2015
Dr. Jens Ehrhardt
Welthandel und Weltwirtschaft sind wenig dynamisch. Grund dafür ist unter anderem die schwache Nachfrage in Europa und in den USA. Hiervon ist die Güterproduktion weltweit betroffen.
Die Schwellenländer sind aber gerade jene, die den größten Teil der Güter produzieren – bei einem relativ niedrigen Anteil der Volkswirtschaft in expandierenden, binnenorientierten Bereichen, wie Dienstleistungen. Schaut man sich die Entwicklung der Weltwirtschaft genauer an und berechnet diese in US-Dollar und nicht in Landeswährung, ist der Rückgang ernüchternd. Selbst in den robusten USA schrumpfen die Umsätze – im 3. Quartal bei den 500 S&PUnternehmen um über 3 Prozent! Das ist eine völlig neue Entwicklung.
Markttechnisch gesehen negativ für die Schwellenländer ist darüber hinaus, dass hier in den vergangenen Jahren Anlagegelder in erheblichem Umfang investiert wurden. Inzwischen hat sich dieser Trend umgekehrt. 2015 vermelden viele Schwellenländer-Aktienfonds erneut merkliche Abflüsse. Europa, lange Zeit wachstums- und gewinnschwach sowie mit entsprechend geringen Fondszuflüssen, erlebt gleichzeitig eine Trendumkehr. Und das wiederum dürfte sich fortsetzen, was die Schwellenländer- Aktienkurse drücken und die europäischen Aktienpreise fördern sollte.
Für Europa sprechen zudem die extrem niedrigen Zinsen, die großen Vorteile aus dem Ölpreisrückgang wegen der in Europa geringen Rohstoffvorkommen sowie die verstärkten Staatsausgaben zur Konjunkturbelebung. Der Hauptvorteil für Europa liegt allerdings in der Abwertung des Euros. Hier muss man jedoch sehen, dass Dauerabwertungen keineswegs positiv einzuschätzen sind – siehe Italien zu Lire-Zeiten. Dies hilft zwar der Exportindustrie, schädigt aber die (größere) Binnenwirtschaft. In Deutschland hat sich die Exportquote im Zuge der Euro-Einführung auf über 46 Prozent verdoppelt. Die schwache Binnennachfrage führt aber dazu, dass die Unternehmen mehr exportieren müssen. Das wiederum gelang nur aufgrund der Euro-Schwäche. Ob die hauptsächlich für Südeuropa gedachte Abwertungspolitik des Euros – Deutschland bräuchte einen stärkeren Euro – am Schluss nicht als Sünde gegen die Marktwirtschaft zu gefährlichen Konsequenzen führen wird, ist noch offen. Ein Konjunkturaufschwung nur durch Gelddrucken (Quantitative Easing), beziehungsweise durch niedrige Zinsen und Abwertung, ist aber auf die Dauer eine gefährliche Strategie, auch wenn dies kurzfristig wahrscheinlich den Märkten weiter nützen kann.
Einer der positivsten Faktoren für die Entwicklung an den europäischen Aktienmärkten bleibt vorerst die Geldmengenausdehnung – nicht zuletzt belegt durch die historische Erfahrung. Während inzwischen die meisten Fondsmanager Europa neben Japan übergewichten, war es in diesem Jahr von Anfang an richtig, auf europäische Werte zu setzen.
Autor: Dr. Jens Ehrhardt, Vorstandsvorsitzender DJE Kapital AG