Der Tanz der Notenbanker um das "Goldene Kalb"
26.03.2015
Sieben Jahre nach der Finanzkrise halten die Zentralbanken die Zinsen immer noch künstlich auf historisch tiefem Niveau. Das Ziel ist den Staaten bei der Finanzierung ihrer Schulden zu helfen.
2015-03-27 (fw/db) Der Rückversicherer Swiss Re meldet, dass die anhaltende Niedrigzinspolitik der amerikanischen und europäischen Notenbanken der Assekuranz weltweit Verluste in den Renditen ihrer den Kapitalanlagen eingebracht haben. Nach Angaben des Rückversicherers aus der Schweiz beliefen sich die Ausfälle für die Versicherer in der Europäischen Union (EU) und den Vereinigten Staaten (USA) seit Beginn der Finanzkrise in 2008 bis 2013 auf 365 Milliarden Euro (400 Milliarden US-Dollar).
Niedrigzinsen sind eine Art Steuer
Die Einbußen der Erstversicherer entsprächen einer jährlichen durchschnittlichen fiskalischen Besteuerung von etwa 0,8 Prozent auf die gesamten finanziellen Vermögenswerte der Versicherer und würden deren Fähigkeit, der Realwirtschaft finanzielle Mittel zuzuführen absenken. Diese Zahlen veröffentlichte Swiss Re, der nach Munich Re weltgrößte Rückversicherer in einer aktuellen Medienmitteilung und Studie.
Amerikanische Sparer haben Milliarden an Zinseinbußen
Wie Swiss Re erklärt, bekommen neben den institutionellen Investoren zunehmend auch die Sparer in den privaten Haushalten die Auswirkungen der entgangenen Zinsen zu spüren. Alleine den amerikanischen Sparern seien zwischen 2008 und 2013 Netto-Zinseinnahmen in Höhe von rund 470 Milliarden Dollar (430 Milliarden Euro) entgangen.
Staatlich garantierte Investitionen in Infrastruktur als Lösung
Das Ziel die Zinsen “künstlich tief zu halten” seitens der Notenbanken reduziert die Fähigkeit der Versicherungswirtschaft als langfristige Investoren genügend Risikokapital an die Realwirtschaft zu transferieren.
„Neben den Auswirkungen auf die Renditen der langfristigen Investoren können auch die Folgen für die Intermediation der Kapitalmärkte erheblich sein. Durch die Verdrängung der Investoren aufgrund künstlich tief gehaltener oder negativer Zinsen werden verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten, welche sonst die Realwirtschaft unterstützen, verringert. Dies stellt eine Gefahr für die finanzielle Stabilität und das Wirtschaftswachstum im Allgemeinen dar“, warnt Guido Fürer, Group Chief Investment Officer von Swiss Re.
Die Swiss Re Studie “Financial repression: The unintended consequences” zeigt die erhebliche Kosten für Privathaushalte und langfristige Investoren wie Versicherer und Pensionskassen auf.
Die Politik hat sich Zeit gekauft
Politische Entscheidungsträger befinden sich in einem wirtschaftspolitischen Zielkonflikt. Zum einen möchten Politiker die wirtschaftliche Erholung unterstützen und zum anderen tragen sie dadurch zur potenziellen weiteren Verstärkung des finanziellen und wirtschaftlichen Ungleichgewichts bei.
Mit den künstlichen zinssenkenden Maßnahmen und der resultierenden Verzerrung der Signale des privaten Marktes gibt es für staatliche Institutionen wenig Anreize, die vordringlichen Probleme im öffentlichen Bereich anzugehen und die strukturellen Reformen voranzutreiben. Je länger jedoch solche außergewöhnlichen und unkonventionellen geldpolitische Maßnahmen anhalten, desto schwieriger wird der Ausstieg sein, warnen Volkswirte.
Die wachsende Bedeutung der öffentlichen Märkte im Vergleich zu den privaten verstärkt das Ungleichgewicht in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten und stellt eine Gefahr für die langfristige Stabilität der gut funktionierenden Finanzmärkte dar. Angesichts der moderaten globalen Wachstumsaussichten und der hohen öffentlichen Verschuldung dürfte die finanzielle Repression für politische Entscheidungsträger weiterhin ein wichtiges Instrument bleiben.
Die gekaufte Zeit kostet viel Geld
Ob die Kosten die Oberhand über die Vorteile gewinnen, hängt größtenteils von der Fähigkeit der Regierungen ab, das Niedrigzinsumfeld für sich zu nutzen und die richtigen strukturellen Reformen einzuleiten. Die bisherige Bilanz ist nach Meinung der Experten von Swiss Re eine Mischung aus Erfolg und Misserfolg.
Bessere Lösungen sind möglich
„Zukünftige politische Maßnahmen zur Schaffung eines stabileren und gut funktionierenden privaten Marktes einzuleiten sind zentral für langfristiges wirtschaftliches Wachstum. Doch bereits das heutige Umfeld bietet Möglichkeiten, insbesondere im Bereich Investitionen in Infrastruktur-Projekte. Allerdings brauchen wir dazu handelbare Finanzanlagen, damit wir bei unseren Investitionen in die Infrastruktur nicht vom öffentlichen Sektor abhängig sind. Dazu sollte das politische Umfeld einen gut funktionierenden privaten Markt für Infrastrukturschuldtitel fördern“, empfiehlt Experte Fürer der Politik.
Die Vorschläge scheinen in der realen Politik Befürworter gefunden zu haben. Vor einiger Zeit hatte bereits der deutsche Wirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel der Assekuranz eine Offerte gemacht (finanzwelt 18.12.2014).
finanzwelt-Fazit: Nichts ist spannender wie Politik und Wirtschaft. Die Finanzwelt kann aber eine Politik der „gekauften Zeit“ und eine geldpolitische Strategie zu Lasten der Vorsorgesparer nicht lange aushalten. Anleihen mit staatlich garantierten Infrastruktur-Papieren könnten eine Lösung sein. Die Altersvorsorge der Privathaushalte sollte nicht auf dem Altar der Staatsschulden geopfert werden. Der Tanz der Notenbanker um das „Goldene Kalb“ der Niedrigzinsen muss ein Ende finden.
Dietmar Braun

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