Brexit: Die Engländer haben Recht

08.04.2019

Markus Richert, CFP® und Seniorberater Vermögensverwaltung bei der Portfolio Concept Vermögensmanagement GmbH in Köln / Foto: © Portfolio Concept

Die Engländer haben Recht – zumindest was den Linksverkehr angeht. Bereits in der Antike marschierten griechische, ägyptische und römische Truppen auf der linken Seite. Der Grund dafür war ganz pragmatisch. Beim Aufsitzen auf ein Pferd stieg man zuerst mit dem linken Bein in den Steigbügel und schwang dann das rechte Bein über den Rücken des Tieres. Jahrhundertelang herrschte Einigkeit und Linksverkehr in ganz Europa. Erst die Revolution in Frankreich durchbrach diese Regel. Wenige Jahre später eroberte Napoleon halb Europa und der Rechtsverkehr wurde verbindlich.

In England und seinem beherrschten Empire galt dagegen immer Linksverkehr. Seine größte Ausdehnung erreichte es nach dem 1. Weltkrieg. Im Jahr 1919 herrschte noch in 104 von 208 Staaten Linksverkehr. Aktuell wird nur noch in 58 Ländern weltweit links gefahren. Die Erosion der britischen Dominanz ist offensichtlich auch im Straßenverkehr abzulesen.

Diese Entwicklung aufzuhalten haben sich die Brexiteers auf die Fahne geschrieben. Allerdings bis jetzt mit sehr bescheidenem Erfolg. Die Welt schüttelt entsetzt den Kopf über das dilettantische Vorgehen der Brexit-Befürworter. Der 29. März, Termin für das Ausscheiden nach Artikel 50, kam, ging und England blieb. An diesem Tag lehnte das Unterhaus mit 344 zu 286 Stimmen das Austrittsabkommen zum dritten Mal in Folge ab. Vermutlich nicht zum letzten Mal. Einig scheint sich das britische Parlament derzeit nur in seiner Ablehnung von fast jedem Vorschlag. Bereits am Mittwoch vergangener Woche hatte das Unterhaus über acht Brexit-Alternativen abgestimmt – mit einem eindeutigen Ergebnis. “No. No. No. No. No. No. No. No.”, lautete auch hier das mittlerweile wenig überraschende Resultat.

Der 29. März hätte in die Geschichte eingehen können

Die Märkte dagegen atmeten erst einmal hörbar auf. Denn der 29. März hätte auch leicht als Tag des harten und chaotischen Brexits in die Geschichte eingehen können, mit all den potenziellen Folgen für Wirtschaft und Finanzmärkte weit über das Vereinigte Königreich hinaus. Zwar herrscht bei den Volksvertretern Einigkeit das man das eigentlich nicht will, aber wenn man sonst keine Einigung findet, bleibt es ein mögliches Szenario. Die Uhr tickt jetzt für den 12. April, der Frist, für die von den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union gewährte Verlängerung. Es sind wieder diverse Abstimmungen geplant. Als aussichtsreichste Varianten gelten ein Verbleib Großbritanniens in einer Zollunion mit der EU und ein neues Referendum über den Brexit-Vertrag. Mittlerweile verliert allerdings die EU zusehends die Geduld. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mahnte die Briten zur Eile und forderte Klarheit über den Brexit-Kurs. Die Geduld der EU sei bald aufgebraucht. Die EU wird sich allerdings noch etwas gedulden müssen, denn auch bei dieser Abstimmung blieb es beim eindeutigen „No“.

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