Inflationssorgen scheinen nicht gerechtfertigt

21.11.2018

Christian Heger, Chefanlagestratege von HSBC Global Asset Management (Deutschland) / Foto: © HSBC Global Asset Management (Deutschland)

Die Prognosen für die Weltwirtschaft dürften sinken, eine Rezession ist aber weiterhin nicht in Sicht. Vor allem die USA liefern ein beeindruckendes Wachstum.

Die weltweiten Kurskorrekturen haben viele Anleger verunsichert. Steht das Ende des 2009 gestarteten Aufschwungs an den Weltbörsen bevor? In der Tat ist das legendäre Goldilock-Szenario endgültig Geschichte. Hohe Wachstumsdivergenz und erste Anzeichen höherer Preissteigerungsraten prägen heute das Bild. Dem Boom in den USA steht eine zunehmend schwächere Dynamik aus Asien und Europa gegenüber.

In China lag das Wachstum im dritten Quartal auf dem niedrigsten Stand seit 2009. In der Eurozone fiel die Stimmung in der Industrie im Oktober auf ein Zweijahrestief. Für eine weltweite Rezession reichen diese Indikatoren aber nach wie vor nicht. Größere Ungleichgewichte sind gegenwärtig nicht erkennbar.

Robustes Wachstum in den USA

Das Wachstum in den USA ist beeindruckend robust. Der kräftige Fiskalimpuls dürfte den Zuwachs 2018 und auch im nächsten Jahr um mindestens 0,5 Prozent beschleunigen. Dank guter Arbeitsmarktlage, hoher Investitionen und robuster Baunachfrage spricht vieles für ein Wachstum oberhalb des langfristigen Potenzials zumindest bis 2020. China tritt zudem wieder aufs Gaspedal. Die Senkung der Mindestreservesätze und fiskalische Impulse dürften das Wachstum dort in den nächsten Quartalen stabilisieren. In der Eurozone lassen verbesserte Arbeitsmärkte, der schwächere Euro und die niedrigen Zinsen immer noch Wachstumsraten von rund 1,5 Prozent zu. Die nächsten Prognosen für die Weltwirtschaft werden zwar weiter von Abwärtsrevisionen geprägt sein. Die kritische Marke von 2,5 Prozent sollte aber weder 2018 noch 2019 unterschritten werden.

Auch größere Inflationssorgen scheinen kaum gerechtfertigt. Ein Großteil der diesjährigen Bewegung ist auf den starken Anstieg der Ölpreise zurückzuführen. Hier ist das Ende der Fahnenstange jedoch in Sicht. Die erhöhte Förderung in den USA hält das Angebot trotz der Iran-Sanktionen hoch, während die Nachfrage aufgrund der schwächeren Konjunktur nachlässt. Außer in den USA fehlt es zudem an Anzeichen für eine Lohn-Preis-Spirale. Der feste US-Dollar und die schwächere Weltkonjunktur dürften aber auch hier die Preisüberwälzungsspielräume begrenzen.

Die verhaltene Zuversicht für den weiteren Konjunktur- und Inflationsverlauf dürfte allerdings in den nächsten Monaten herausgefordert werden. Der Handelskonflikt zwischen den USA und China, der Haushaltsstreit mit Italien sowie die ungeklärte Brexit-Situation haben das Potenzial, die Weltwirtschaft weiter Richtung Rezession zu drücken. Das volatile Umfeld an den Kapitalmärkten sollte daher anhalten.

Aktien bleiben haltenswert

Immerhin spiegeln Sentiment und Bewertung diese Skepsis bereits wider. So haben sich die Bewertungsrelationen nach den Kursverlusten in Asien und Europa unter den langfristigen Durchschnitten eingependelt. Dank kräftig steigender Gewinne sehen selbst die USA mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von unter 17 nicht mehr teuer aus. Anleger sollten sich daher dem eingetrübten Meinungsbild nicht anschließen. Mit Blick auf ein immer noch intaktes fundamentales Umfeld aus moderatem Wachstum und niedrigen Zinsen bleiben Aktien zumindest haltenswert.

Marktommentar von Christian Heger, Chefanlagestratege von HSBC Global Asset Management (Deutschland)