Die antivirale Bazooka

24.03.2020

Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei BlackRock / Foto: © BlackRock

Die Coronavirus-Krise ist mit voller Wucht angekommen. In allen Bereichen beginnen Menschen, die neue Realität anzunehmen. Familien reorganisieren ihr Leben, viele Berufstätigkeiten wurden ins Home Office verlagert, und mehr oder weniger alle arbeiten diszipliniert am „Abflachen der Kurve“ mit.

An den Finanzmärkten äußert sich das Ankommen in der neuen Wirklichkeit darin, dass der teils konfuse, erratische Handel der letzten Wochen zielgerichteter geworden zu sein scheint. Anleger versuchen, so rational wie möglich die alles entscheidende Gleichung mit zwei Unbekannten zu lösen, wobei X die Tiefe der Rezession darstellt, und Y die Länge. Besonders problematisch dabei ist, dass X und Y eng zusammenhängen.

Auch die Wirtschaftspolitik hat den Ernst der Lage erkannt. Nachdem schon in den vergangenen Wochen die Zentralbanken mit riesigen Ankaufprogrammen, Zinssenkungen und erleichtertem Zugang zu Liquidität versuchten, das ihre zu tun, hat nun auch die Fiskalpolitik nachgezogen. In den USA hängt ein von der Trump-Regierung geplantes Stützungsprogramm im Gesamtumfang von 1,2 Billionen US-Dollar derzeit im Kongress fest. Ganz so einfach wollen es die Demokraten dem Präsidenten, den sie am 3. November gern ablösen möchten, natürlich nicht machen und versuchen daher, dem Paket eine demokratische Handschrift zu geben. Bis es auf den Weg kommt, könnte also noch etwas Zeit vergehen. Zeit, die Donald Trump nicht hat, denn kaum etwas kann seine Wiederwahl so sehr gefährden wie die Corona-Krise.

Auch in Deutschland hat die Bundesregierung angesichts der Bedrohung durch die Pandemie das Prinzip „Think Big“ entdeckt. 50 Mrd. Euro für direkte Unterstützung von Firmen und Einzelunternehmern, 3 Mrd. Euro für Krankenhäuser, ein 400 Mrd. großer Garantiefonds für Unternehmenskredite und viele weitere Maßnahmen machen einen Nachtragshaushalt in Höhe von rund 4% des BIP notwendig. Von der Möglichkeit, die Schuldenbremse auszusetzen, wird dabei ebenso selbstverständlich Gebrauch gemacht wie davon, die „Schwarze Null“ nicht länger als Leitlinie der Politik zu verfolgen. Dass letzteres schon jetzt zu erheblichen Problemen führt, macht sich gerade in der Krise schmerzhaft bemerkbar, denn nicht nur die kommunale Infrastruktur, die über viele Jahre mit schrumpfenden Budgets auskommen musste, ächzt nun in allen Fugen, sondern auch die Unterinvestitionen in den Digitalausbau fallen der Regierung zu einer Zeit, in der menschliche Interaktion zu einem erheblichen Teil über Datenleitungen stattfindet, mit Applomb auf die Füße. Wenn also Merkel & Co. jetzt sichtbar in den Krisenmodus geschaltet haben, dann dürfte in Berlin ebenso deutlich geworden sein, wie sehr die Sparpolitik der letzten zehn Jahre das Land dem Risiko eines unerwarteten, tiefen Schocks ausgeliefert hat.

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