Riester-Rente – ein Nachruf

29.11.2021

Versicherungsbetriebswirt Ramesh Bhargava / Foto: © Ramesh Bhargava

Wir sind zutiefst bestürzt über das Aus unserer lieb gewonnen Riesterrente. Mit diesem Nachruf möchte ich die Zulagenrente in allerbester Erinnerung behalten und ihr die letzte Ehre erweisen.

Wir haben sie voller Vertrauen vermittelt, sie Jahr für Jahr beratend begleitet, anfangs zögerlich, dann eine ganze Weile millionenfach wie im Rausch. Wenn ich ihren Charakter mit einigen Worten beschreiben müsste, dann wären „loyal aber manchmal etwas schludrig und verschwenderisch“, „temperamentlos aber ein Herz für Kinder und Geringverdiener“ genau die Worte, die sie auszeichneten. Gut kann ich mich an die vielen unberechtigten Zulagen-Rückforderungen der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen erinnern und die Bearbeitungsdauer der Widersprüche. Gerne denke ich auch an die jährlichen Wertbetätigungen und den darin dokumentierten Investitionsquoten der fondsbasierten Police.

Unsere Riesterrente hatte es gut mit uns gemeint, wollte eine Rentenkürzung kompensieren, beschenkte uns mit großartigen Förderungen. Wie sagte sie immer? „Das Leben ist zu kurz, um Förderungen nicht mitzunehmen und zu lang, um auf eine lebenslange Rente zu verzichten“. Natürlich werden wir sie alle sehr vermissen, aber lasst uns nach vorne schauen und die Riesterrente in allerbester Erinnerung halten. Denn nur die Erinnerung ist das, was uns heute noch bleibt.

Nicht immer ist alles so schlecht wie sein Ruf und selten so gut wie sein Nachruf. Die Riester-Rente ist natürlich nicht tot, sie lebt - auch über den baldigen Jahreswechsel hinaus. Allerdings hat das vom hässlichen Entlein zum mehrschlitzigen eierlegenden mutierten Wollmilchsparschwein längst an Glanz verloren. Erst durch, dann aus dem Dorf getrieben, die arme Sau. Der einstige Superstar hat an Vitalität verloren, ist in die Jahre gekommen, die niedrigen Zinsen haben ihr arg zugesetzt.

Erfolg mit Bremsspuren

Es fing vielversprechend an. Die erste Million Verträge waren im ersten Jahr erreicht, nach nicht einmal zehn Jahren waren die 10 Millionen voll. Ex post fällt die Aussage leicht, dass das Produkt oftmals zu einfach verkauft, zu unkritisch gekauft wurde, und zwar über Rabatt in Form von Förderungen, der über Produktqualität und Funktionsweise der Förderung hinwegtäuschte. Was sich u.a. daran zeigt, dass gerade einmal jeder zweite Vertrag die volle Zulage erhält. Vernebelt vom Rausch des Erfolgs, den hohen Zulagen und den gerade noch auskömmlichen Zinsen wurde ignoriert, was spätestens mit der erneuten Absenkung des Höchstrechnungszinses zu Tage trat: der hohe Verwaltungsaufwand insbesondere im Zusammenhang mit der Zulagenbürokratie, die hohen Kosten für die Kapitalgarantien aufgrund der gesetzlich vorgegebenen Beitragserhaltungszusage.

Die Garantiekosten sind in letzten Jahren auf eine zuvor unvorstellbare Höhe gestiegen und im Renditeabstand zwischen Staatsanleihen und Aktien begründet. Da überwiegend in Staatsanleihen angelegt wird, führt ein großer Renditeabstand zu hohen entgangenen Renditen. Selbst Kunden, die sich bewusst für investmentorientierte Verträge entscheiden, legen die Beiträge damit ohne es zu wissen auch bei sehr langen Laufzeiten zu erheblichen Teilen in schwankungs- und renditearmen Anlagen wie Staatsanleihen an. Die Förderung als Zinsersatzleistung kann eine fehlende Kapitalmarktrendite nicht wettmachen. All das sorgte für Verdruss, Medien und Politik taten ihr Übriges, um Riester schlecht zu machen. Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich nicht immer ganz ungeniert. Der Name ist zumindest angesenkt.

Der Erfolgsdekade folgte der bis heute andauernde Sinkflug des Riestergeschäfts, allein steigend ist die Anzahl beitragsfrei gestellter Verträge. Steht für viele die Assekuranzvariante pars pro toto für die Riesterförderung, wird allzu häufig vergessen, dass lediglich zwei von drei Verträgen von Versicherern verwaltet werden, wobei der Anteil in Ruhe gelassener Policen mit etwa 25 % überproportional hoch ist. Es verbleiben von den oft zitierten 16 Millionen geschätzt gerade einmal gut sieben Millionen aktiv besparte Riester-Versicherungsverträge.

Welche Perspektiven sich 2022 für die Riester-Rente ergeben, lesen Sie auf Seite 2.