Zwei sehr unterschiedliche Länder in Ostasien
16.05.2018
Maarten-Jan Bakkum, Senior Strategist, Emerging Markets bei NN Investment Partners / Foto: © NN IP
Während alle Welt augenscheinlich in Vietnam investieren möchte, ist das Interesse an Indonesien in den vergangenen Jahren deutlich abgekühlt. Vietnams Erfolgsgeschichte basiert auf Privatisierungen, einem besseren Schutz geistigen Eigentums und klaren politischen Entscheidungen in Bezug auf eine schnelle Entwicklung des Exportsektors. In Indonesien geschieht fast das Gegenteil: Die Regierung wird zunehmend populistisch und unterstützt die heimischen Verbraucher auf Kosten der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Die großen Exportunternehmen bleiben fern oder verlassen das Land, um sich in anderen asiatischen Staaten niederzulassen, vorzugsweise in Vietnam.
Derzeit gibt es in den Schwellenländern fast keinen größeren Kontrast als den zwischen Vietnam und Indonesien. Das betrifft hauptsächlich klare, strategische politische Entscheidungen und ihre effektive Umsetzung. Vietnam weist hier beeindruckende Ergebnisse vor. Natürlich spielt das politische System eine große Rolle: Entscheidungen können leichter getroffen und Reformen einfacher umgesetzt werden, wenn die Politiker keine Rücksicht auf Wiederwahlen oder unwillige Lokalregierungen nehmen müssen. Trotz allem ist Vietnams Exporterfolg in den vergangenen Jahrzehnten außergewöhnlich. In den zurückliegenden 20 Jahren sind die vietnamesischen Exporte fünf Mal schneller gewachsen als das Durchschnittswachstum in den Schwellenländern und doppelt so schnell wie das Exportwachstum in China – dem Land also, das als Exportweltmeister bekannt ist. Insbesondere in letzter Zeit lässt Vietnam den Wettbewerb hinter sich.
Die starken ausländischen Kapitalzuflüsse – alleine die Direktinvestitionen betragen rund 20 Milliarden US-Dollar jährlich – halten die Währung stabil und machen es den Währungshütern relativ leicht, die Inflation und die Zinsen niedrig zu halten. Der daraus resultierende Konsumboom ist derzeit einer der stärksten im gesamten Schwellenländeruniversum.
Und Indonesien? Die Inflation war hier in den vergangenen Jahren ebenfalls niedrig, und auch hier spielen ausländische Kapitalzuflüsse eine entscheidende Rolle. Der große Unterschied zu Vietnam ist jedoch, dass Direktinvestitionen fast nie in den Industriesektor fließen und der Zinsunterschied zwischen Indonesien und den USA viele spekulative Gelder angezogen hat. Jetzt, wo die Regierung in Jakarta einen deutlich populistischeren Kurs eingeschlagen hat, sind diese spekulativen Investitionen unter Druck geraten und es wird zunehmend schwierig, die Rupiah stabil zu halten. Dies wird voraussichtlich zu einer höheren Inflation führen, was die Regierung wiederum dazu veranlassen könnte, den heimischen Konsumenten mit noch umfangreicheren Preisinterventionen unter die Arme zu greifen. Insgesamt wird sich das Investitionsklima vermutlich nicht verbessern. Aber genau das ist der Schlüssel zu ertragreichen ausländischen Direktinvestitionen, erfolgreichen Exporten und stabilem Wirtschaftswachstum. In den 1990er Jahren lag der Tiger Indonesien meilenweit vor dem verarmten Vietnam. Heute hat sich Vietnam zum Vorbild für das stagnierende und zunehmend abgeschlagene Indonesien entwickelt.
Marktkommentar von Maarten-Jan Bakkum, Senior-Stratege für Schwellenländer bei NN Investment Partners