Wiederanlage: Ein ungenutztes Potenzial für die Versicherungsbranche
25.03.2025

Lars Heermann
In Zeiten schwacher Wachstumszahlen und zunehmendem Wettbewerbsdruck auf dem Versicherungsmarkt rücken Bestandskunden zunehmend in den Mittelpunkt. Als Assekurata sehen wir hier ein großes Potenzial für Versicherer, nicht nur ihren Bestand zu sichern, sondern auch langfristiges, nachhaltiges Wachstum zu generieren. Besonders im Bereich der Lebensversicherungen und Altersvorsorge erkennen wir, dass die Wiederanlage von Kapitalbeträgen ein oft ungenutztes, aber äußerst wertvolles Potenzial darstellt. Ein Beitrag von Lars Heermann, Bereichsleiter Assekurata Rating-Agentur GmbH.
Der unternehmenseigene Bestand rückt immer mehr in den Fokus der Versicherer. Diese Entwicklung ist ein direktes Ergebnis der hohen Leistungsauszahlungen im Bereich der Lebensversicherungen. Während 2002 noch 56,2 Milliarden Euro aus Lebensversicherungen ausgezahlt wurden, stieg dieser Betrag bis 2016 auf 87,6 Milliarden Euro und erreichte 2023 mit 96,5 Milliarden Euro seinen vorläufigen Höhepunkt. Fast die Hälfte davon, nämlich 46,3 Milliarden Euro, entfällt auf Kapitalbeträge aus fälligen Hauptversicherungen durch Ablauf und Erleben. Diese Entwicklung ist unter anderem durch das Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) begünstigt, das 2004 eingeführt wurde und die steuerlichen Rahmenbedingungen für Altersvorsorgeprodukte veränderte. Viele Versicherungsnehmer schlossen damals Lebens- und Rentenversicherungen zu den günstigeren Konditionen ab, um sich letztmals die vollständige Steuerbefreiung der Erträge zu sichern. Diese Verträge laufen nun nach und nach aus, was den Anstieg der Auszahlungsbeträge forciert.
Das ungenutzte Potenzial der Wiederanlage
Unsere Analysen und Kundenbefragungen im Rahmen der Unternehmensratings haben ein großes ungenutztes Potenzial bei der Wiederanlage von Kapitalbeträgen aufgezeigt. In den letzten drei Jahren äußerten nur rund 51 % der etwa 1.200 Kunden, die eine einmalige Kapitalzahlung erhalten haben, ein Wiederanlageangebot von ihrem Versicherer bekommen zu haben. Dabei zeigen sich zwischen den Unternehmen enorme Unterschiede: Im schlechtesten Fall lag die Quote bei nur 23,4 %, im besten Fall bei rund 64 %.
Ein weiterer Hinweis auf diese verpassten Chancen ist die Entwicklung der Einmalbeiträge im Neugeschäft. Wie die Grafik zeigt, sinken die Einmalbeiträge seit 2020 stetig – von 38 Milliarden Euro auf mittlerweile nur noch knapp 25 Milliarden Euro. Heute machen Einmalbeiträge nur noch 14,54 % des Neugeschäfts aus, während ihr Anteil 2020 noch bei 22 % lag.
Noch deutlich schlechter fällt die Annahmequote aus: Weniger als jeder dritte Kunde (31 %) hat ein solches Angebot tatsächlich angenommen. Der beste Versicherer erreicht hier immerhin nahezu 62 %, während der schlechteste mit nur 2,7 % weit hinterherhinkt. Im Durchschnitt ergibt sich aus den Befragungsdaten damit eine Wiederanlagequote von rund 15 %.
Diese Zahlen deuten auf ein erhebliches ungenutztes Potenzial hin. Versicherer, die ihre Kunden nicht aktiv auf die Wiederanlage ihrer Ablaufleistungen ansprechen oder nicht überzeugend genug sind, verlieren nicht nur wertvolles Kapital, sondern schlimmstenfalls auch die Kundebeziehung. Denn wenn ein Kunde das Geld erstmal woanders – sei es bei einem anderen Anbieter oder auch jenseits der Versicherungswirtschaft bei Banken, Investmentgesellschaften oder Vermögensverwaltern – angelegt hat, ist er erfahrungsgemäß nur schwer zu einer Rückkehr zu bewegen.
Ein systematisches und personalisiertes Wiederanlagemanagement könnte den Unterschied machen. Versicherer, die in der Lage sind, maßgeschneiderte Angebote zu unterbreiten und regelmäßig mit ihren Kunden in Kontakt zu bleiben, können nicht nur die Wiederanlagequote steigern, sondern auch ihre Kundenbindung und Wettbewerbsposition erheblich stärken. Das Marktpotenzial ist da – es wird jedoch vielfach noch nicht ausgeschöpft.

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