Verweisung einer Krankenschwester nach Eintritt der Berufsunfähigkeit
11.03.2025

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke. Foto: Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte
Das Oberlandesgericht Dresden befasste sich in seinem Urteil vom 27.10.2023 (Az.: 3 U 725/23) mit der Frage, unter welchen Bedingungen eine Krankenschwester wieder einer Tätigkeit nachgehen kann und welche Anforderungen für eine konkrete Verweisung einer Krankenschwester erfüllt sein müssen.
Die Versicherungsnehmerin absolvierte im Jahr 1995 erfolgreich ihre Ausbildung als Krankenschwester und arbeitete anschließend in einem Klinikum für wöchentlich 32 Stunden. Im Februar 2018 verschlechterte sich der gesundheitliche Zustand der Krankenschwester wegen eines atopischen Ekzems im Bereich der Hände und einer Latex-Allergie. Diese Beschwerden führten zu Rissen und offenen Stellen an den Händen. Aufgrund dessen war es ihr nicht möglich, weiterhin als Krankenschwester tätig zu sein, woraufhin sie im Juli 2018 die Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente begehrte (siehe hierzu auch Berufsunfähigkeit beantragen). Nach der Erläuterung der genauen Tätigkeit der Krankenschwester erkannte der Versicherer die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit als Krankenschwester an und begann mit der Auszahlung der monatlichen Berufsunfähigkeitsrente.
Die Krankenschwester absolvierte sodann eine 2-jährige Umschulung zur medizinischen Fachangestellten. Nach der erfolgreichen Abschlussprüfung war sie als staatlich anerkannte Kauffrau im Bereich Gesundheitswesen tätig. In dem Klinikum, bei dem sie zuvor bereits tätig war, wurde sie als medizinische Fachangestellte mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden weiterbeschäftigt.
Verweisung einer Krankenschwester im Nachprüfungsverfahren
Der Versicherer machte sodann von seinem Nachprüfungsrecht Gebrauch (siehe hierzu Das Nachprüfungsverfahren). Mit Verweis auf die derzeitige Tätigkeit als medizinische Fachangestellte stellte der Versicherer sodann ab dem 01.08.2021 die Zahlung der monatlichen Berufsunfähigkeitsrente ein. Die Versicherungsnehmerin forderte den Versicherer daraufhin zur weiteren Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente auf, was jedoch erfolglos blieb.
Vor dem Landgericht Dresden machte die Krankenschwester geltend, dass ihr jetziger Beruf als medizinische Fachangestellte sozial nicht gleichermaßen angesehen sei, wie die Tätigkeit als Krankenschwester. Das Landgericht Dresden folgte dieser Argumentation mit Urteil vom 23.03.2023 (Az.: 8 O 2553/21). Die Verweisung einer Krankenschwester auf eine Tätigkeit als medizinische Fachangestellte sei nicht zulässig (zu den Anforderungen siehe auch Die konkrete Verweisung). Die Tätigkeit als medizinische Fachangestellte entspräche nicht der bisherigen Lebensstellung als Krankenschwester. Die Differenzen bei der Wertschätzung einer Krankenschwester im Vergleich zu einer medizinischen Fachangestellten lassen sich nämlich nicht durch Vergütung oder Ausbildung auffangen.
Mit dem entsprechenden Urteil zeigte sich der Versicherer nicht einverstanden und legte Berufung beim OLG Dresden ein. Der Versicherer ist der Meinung, dass es auf die Wertschätzung einer Krankenschwester nicht ankomme, da sich diese besonders auf die Zeit der Coronapandemie stütze, welche jedoch im Jahr 2018 noch keine Auswirkungen hatte. Außerdem hat die medizinische Fachangestellte in der Klinik auch Aufgaben wahrzunehmen, die sich konkret auf den weiteren Verlauf des Gesundheitszustandes des Patienten auswirken, als auch die Kenntnis über ärztliche Abrechnungssysteme, welche eine Krankenschwester wiederum nicht hat. Weiterhin sei bei einem Vergleich der beiden Berufe nicht eindeutig zu ermitteln, dass der eine Beruf mehr Ansehen genießt als der andere, wodurch die Verweisung einer Krankenschwester möglich sei.
OLG Dresden erachtet konkrete Verweisung als rechtmäßig
Die Berufung des Versicherers hatte in dem vorliegenden Fall Erfolg. Das OLG Dresden erachtete die Verweisung einer Krankenschwester auf eine Tätigkeit als medizinische Fachangestellte als rechtmäßig.
Nach Ansicht des OLG Dresden konnte nicht anhand von konkreten Umständen nachgewiesen werden, dass die Lebensstellung einer medizinischen Fachangestellten gravierend von der einer Krankenschwester abweicht. Auch ist die Vergütung der Versicherungsnehmerin nicht ausschlaggebend gesunken. Die Differenz zwischen der Vergütung als Krankenschwester und der als medizinischen Fachangestellten liegt bei nicht mehr als ca. 13%. Auch wenn es nicht von Bedeutung ist, wie hoch ein mögliches Einkommen sein könnte, ist hier ersichtlich, dass es sich nicht um eine dauerhafte Reduktion von 13% handelt. Zu einem späteren Zeitpunkt lag die Differenz zwischen den Vergütungen nämlich auch nur noch bei 2%. Die neue Tätigkeit als medizinische Fachangestellte entspricht daher laut dem OLG Dresden der Ausbildung, Erfahrung und der bisherigen Lebensstellung. Aufgrund der rechtmäßigen Verweisung konnte die Krankenschwester daher keine Weiterzahlung der Berufsunfähigkeitsrente verlangen.
Fazit
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden zeigt, dass bei dem Vorliegen einer konkreten Verweisungsklausel stets auf die konkreten Unterschiede zwischen dem vorherigen und dem aktuellen Beruf abzustellen sind. Neben der Vergütung ist dabei auch das Ansehen der beruflichen Tätigkeit zu berücksichtigen.
Macht der Versicherer daher von seinem Nachprüfungsrecht Gebrauch und erfolgt eine Verweisung auf eine andere Tätigkeit, so sollte genau geprüft werden, ob die Voraussetzungen für eine solche konkrete Verweisung erfüllt sind.
Ein Gastbeitrag von Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke, Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte.

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