Totgesagte leben länger

13.02.2020

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Das Rennen der Anlagestile geht 2020 in die nächste Runde. Wachstum versus Substanz. In der vergangenen Dekade hatten die sogenannten Growth-Werte meist die Nase vorn. Anhänger der Value-Philosophie schauten ins Leere beziehungsweise mussten sich mit geringeren Renditen zufriedengeben. Sehen wir nun einen Turnaround? Ist Value sozusagen auferstanden aus der Lethargie? Laut Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management, sollten Anleger Value-Aktien nicht abschreiben. Eine Analyse.

Value-Anleger haben es seit der Finanzkrise nicht leicht: Wer konsequent auf Substanzaktien mit relativ niedriger Bewertung und hoher Ausschüttung setzte – beispielsweise mit dem MSCI World Value Index –, konnte zwar sein Vermögen seit Dezember 2007 bis zum Ende des vergangenen Jahres etwas mehr als verdoppeln. Doch mit den Wachstumsaktien, die sich im gleichen Zeitraum fast verdreifacht haben, konnte die Wertentwicklung nicht mithalten.

Für den derzeit noch anhaltenden Boom der Wachstumsaktien sieht Tilmann Galler drei Gründe: die globale Wachstumsschwäche, den anhaltenden Niedrigzins und die technologische Adaption. Beispiel Wachstumsschwäche: Das globale Wirtschaftswachstum hat in den vergangenen 12 Jahren erheblich an Dynamik eingebüßt. Neben den Folgen der Finanzkrise spielt auch das nachlassende Bevölkerungswachstum eine maßgebliche Rolle. „In einem Umfeld, wo Wachstum nicht mehr üppig vorhanden ist, scheinen Investoren bereit zu sein, einen Aufpreis für Aktien zu bezahlen, die in diesem Umfeld überdurchschnittliches Gewinnwachstum liefern können“, stellt Tilmann Galler fest.

Der Niedrigzins in Verbindung mit Anleihekäufen der Notenbanken unterstütze Wachstumsaktien nach Analyse des Kapitalmarktexperten auf zweierlei Weise: „Erstens wird der Wert eines Wachstumsunternehmens viel stärker durch die Gewinne in der Zukunft definiert als vergleichsweise ein Value-Unternehmen mit geringerem Gewinnwachstum. Das bedeutet: Je niedriger der langfristige Zins ist und je flacher die Zinsstrukturkurve ist desto niedriger ist der Abzinsungsfaktor und desto höher ist der Gegenwartswert der zukünftigen Gewinne. Zweitens schadet der Niedrigzins in Verbindung mit einer flachen Zinsstrukturkurve der mit 26 % größten Gruppe unter den Value-Aktien, nämlich den Finanzwerten“, führt Galler aus. Und last but not least habe die rasante Adaption des technologischen Fortschritts in vielen Branchen zu erheblichen Veränderungen geführt – alte Marktführer wurden dabei verdrängt und neue sind entstanden. Den größten Anteil an Wachstumsunternehmen findet man derzeit in den Branchen IT (29 %), Konsum (23 %) und Gesundheit (14 %).

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