Tanz auf dem Vulkan

12.06.2016

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Dass die Zinsen in den Vereinigten Staaten wohl nicht so stark steigen werden, wie zuvor gemutmaßt, ist eine gute Nachricht für diese Schwellenmärkte. Es dürfte einer der ausschlaggebenden Gründe für deren Comeback in den vergangenen Monaten gewesen sein. Liegt gemäß Citywire-Daten die Region Lateinamerika auf 1-Jahressicht noch aktuell (Stand: 3. Mai 2015) mit fast 15 % im Minus, sehen wir auf kurzfristige Sicht von 3 Monaten ein schönes Plus von knapp 9,5 %.

Grünes Licht für Südamerika?

Berater dürfen sich nicht allein von den Wertentwicklungen an den dortigen Finanzplätzen blenden lassen. Denn die wirtschaftliche Entwicklung ist in einigen Ländern weiterhin unterdurchschnittlich, die Volkswirtschaften lahmen. Aber der Wind scheint sich zu drehen und die nötigen Reformen würden hierzu ihr Übriges leisten. Einzig in Chile und dem vormals hochgepriesenen Mexiko ist die Euphorie der Investoren bislang ausgeblieben. Allerdings verfügt Mexiko seit Jahren über das angesehene Investment Grade und hat eine lang anhaltende Beziehung zu den internationalen Finanzmärkten. Die mexikanische Volkswirtschaft leidet aktuell jedoch unter ihrer Abhängigkeit von den USA. Der wichtigste Player in Lateinamerika ist Brasilien. Berichten die Medien über soziale Unruhen, dem Verdacht auf Korruption auf höchster staatlicher Ebene, so zeichnet die Börse am Amazonas ein anderes Bild. Ein Plus von 17 % in den vergangenen 3 Monaten katapultiert brasilianische Aktien im Ranking ganz weit nach vorne. „Das Unterhaus des Kongresses in Brasilien hat für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Dilma Rousseff gestimmt und damit einen Schritt in Richtung einer Veränderung der Verwaltung gemacht – eine Veränderung, die wir als wichtiges politisches Statement für das Land betrachten. Wirtschaftliche und fiskalische Reformen sind dringend nötig, um das Land aus der größten Rezession seit Jahrzehnten zu führen und einen ausgeglichenen Haushaltssaldo zu erreichen“ sagt Rob Drijkoningen von der US-Investmentgesellschaft Neuberger Berman. Skeptischer sieht es Christian Michel, Direktor und Leiter Funds bei der FERI EuroRating Services AG: „Die politische Unsicherheit in Brasilien erschwert die Umsetzung notwendiger Reformen und lässt große Zweifel an einer nachhaltigen Erholung der brasilianischen Wirtschaft aufkommen“.

Börsenstimmung hellt sich auf

Berater sollten berücksichtigen, dass die Entwicklung der lateinamerikanischen Aktienindizes ganz zentral von der Entwicklung Brasiliens abhängt, da diese zu rund 50 % aus brasilianischen Aktien bestehen. Notierte der brasilianische Index Bovespa Ende Januar noch bei 37.600 Punkten, so ist er mittlerweile deutlich auf über 53.000 Zähler hinaufgeklettert. Die 1-Monats-Volatilität ist aktuell (Stand: 3. Mai 2015) mit 33,8 % traditionell relativ hoch. Damit nicht genug. Auch die Börse in Peru reiht sich mit einem Plus von mehr als 30 % seit Jahresbeginn in die Wachstumssieger Lateinamerikas ein. Der argentinische Merval in Buenos Aires legte ebenfalls seit Januar deutlich zweistellig zu, wohingegen mexikanische Aktien nur moderat gestiegen sind. Eines eint die Börsenstimmung in allen Staaten. Trotz zahlreicher Probleme sehen wir erstmals einen Stimmungswandel unter den Investoren. Die steigenden Kurse nehmen schlichtweg eine Verbesserung der Wirtschaft vorweg. Hoffnung speist die Südamerikaner, die in einigen Staaten ihre glücklosen Regierungen einfach abgewählt haben. Laut einer Umfrage von Merrill Lynch könnte ausgerechnet Argentinien künftig der spannendste Investitionsstandort sein. Allerdings liegt die dortige Inflation bei jährlich über 30 %. Ein Blick auf aussichtsreiche, großvolumige Fonds zeigt die Konzentration auf die großen Märkte. So ist der knapp 1 Mrd. Euro schwere BGF Latin American A2 USD hauptsächlich in Brasilien und Mexiko investiert. Finanz- und Konsumtitel machen über die Hälfte in der Branchenzusammensetzung aus. Etwas weniger deutlich fällt die Dominanz Brasiliens und Mexiko mit zusammen rund 68 % des Fondsvolumens beim Templeton Latin America Fund A (Ydis) USD aus. Das Fondsvolumen beträgt rund 800 Mio. Euro. Das Fondsmanagement des ca. 600 Mio. Euro schweren JPMorgan Latin America Equity A (dist) – USD gewichtet Rohstoffe vergleichsweise unter und hat gegenüber dem BlackRock-Fonds eine leicht stärkere Gewichtung in Argentinien. (hsd) Fazit Grundsätzlich sind die lateinamerikanischen Aktienmärkte von hoher Volatilität gekennzeichnet. Die getätigten Vorschusslorbeeren sollten sich auch in der realen Wirtschaftsentwicklung dauerhaft widerspiegeln und nicht nur in den Börsenkursen. Insofern bleibt Lateinamerika für versierte Berater ein spannendes, aber zum jetzigen Zeitpunkt mit vielen Unwägbarkeiten verbundenes Asset.   (Lateinamerika / finanzwelt 03/2016)