So gewinnen Anleger bei Übernahmen
16.06.2017
Gottfried Urban, Vorstand Bayerische Vermögen / Foto: © Bayerische Vermögen
Die Zahl der Übernahmen von Firmen, die an der Börse notiert sind, steigt. Der Übernehmer zahlt dabei häufig einen deutlichen Aufschlag gegenüber dem letzten Börsenkurs. Das zeigt zwei Dinge: Die Kreditzinsen sind unangemessen niedrig, und deutsche Unternehmen, gerade aus dem Mittelstand, sind wahrscheinlich noch zu niedrig bewertet. Anleger können solche Sondersituationen nutzen.
Unter ausländischen Investoren gilt Deutschland als interessanteste Investitionsregion in Europa. Neben den Firmenübernahmen - auch getrieben von chinesischen Käufern - kann ich mir gesteigerte Portfolio-Investments von Hedge-Fonds und anderen Investoren vorstellen.
Das eröffnet Sonderchancen für den Geldanleger. So kann man ein Aktiendepot z.B. aus potenziellen Übernahmekandidaten aufbauen. Mit etwas Glück, wird die gekaufte Aktie später tatsächlich von einem Investor als strategisches Firmeninvestment auserwählt. Meist bietet der dann einen schönen Aufschlag zum letzten Börsenpreis, um möglichst viele Anleger zum Verkauf ihrer Anteile zu ermuntern.
Hohe Dividende, geringes Verlustpotenzial
Nehmen nun viele Aktionäre das Angebot an, dann zündet die zweite Stufe des Übernahmeprozesses, quasi das Börsenendspiel. Meist folgt ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, in der Regel wird eine hohe Garantiedividende vereinbart. In dieser Phase ist das Verlustpotenzial stark begrenzt.
Es kann durchaus reizvoll sein, trotzdem weiterhin Minderheitsaktionär zu bleiben. Der Mehrheitsaktionär hat zwar das Sagen. Er kann Beschlüsse bei der in der Hauptversammlung durchdrücken. Doch die kleinen Anteilseigner können gegen die Beschlüsse klagen. Wichtige Entscheidungen könnten so vorübergehend blockiert werden.
Langer Atem zahlt sich meistens aus
Ab 95 Prozent Anteilsbesitz hat der Mehrheitsaktionär in Deutschland deshalb das Recht, die restlichen Aktionäre gegen Zahlung einer fairen Abfindung aus dem Unternehmen zu drängen und den Börsenabgang zu vollziehen. Der Hauptanteilseigner kann die Höhe der Barabfindung bestimmen. Er muss sich am Wert des Unternehmens ausrichten. Die Minderheitsaktionäre versuchen in der Regel, einen höheren Preis rauszuschlagen.
Häufig wird der Streit um die Abfindungshöhe im Spruchstellenverfahren angestrebt. Nachbesserungen in zweistelliger Höhe sind keine Seltenheit. Damit kann man relativ sicher Geld verdienen, denn das reguläre Angebot hat man in der Tasche. Man setzt auf die Nachbesserung im Spruchverfahren. Erwischt man die Aktie in der Phase vor dem Börsenabgang, ist man dabei. Man muss warten und in Kauf nehmen, dass die Aktie nicht mehr gehandelt wird. Zwischen Kauf und Entschädigungszahlung mit Nachschlag können allerdings Jahre vergehen.
Wer sich die Arbeit der Auswahl geeigneter Übernahmekandidaten nicht selbst antun will, der kann in Spezialitätenfonds investieren. Doch Vorsicht, es gibt nur ein begrenztes Zielinvestmentvolumen. Ich gehe aber davon aus, dass die Übernahmen wegen des billigen Geldes weiter zunehmen werden.
Kolumne von Gottfried Urban, Vorstand der Bayerische Vermögen AG, Traunstein