Schadensbearbeitung als Schlüssel
26.11.2014
Eine neue Studie zeigt überraschende Ergebnisse zum Thema Versicherer-Wechsel. Nicht die Prämienhöhe ist das Entscheidende, sondern das Verhalten im Schadens- oder Leistungsfall.
2014-11-27 (fw/db) Eine aktuelle Studie des Dienstleisters Accenture GmbH hat global 8.000 Kunden von Kfz- und Hausratversicherungen über ihre Zufriedenheit mit der Assekuranz befragt.
„Unsere Studienergebnisse unterstreichen die ‚Alles-oder-Nichts-Natur‘ der Schadensregulierung für die Versicherungswirtschaft“, sagt Thomas D. Meyer, Leiter der Accenture-Versicherungspraxis in Europa, Afrika und Lateinamerika. „Kunden, die mit der Abwicklung ihres gemeldeten Schadens unzufrieden sind, tendieren nicht nur in hohem Maße zu einem Anbieterwechsel, sie sind vielmehr auch gewillt, ihrem Ärger in den sozialen Netzwerken Luft zu machen. Versicherer sollten daher dringend ihre operativen Modelle zur Schadensabwicklung, ihre Organisationsstruktur und sogar ihre Unternehmenskultur an die fordernden und digital verbundenen Kunden von heute anpassen.“
Die Mehrheit der befragten Versicherungskunden (86 Prozent) ist mit der Schadensregulierung ihrer Versicherer zufrieden. Das drückt sich leider nicht unbedingt in einer höheren Kundenloyalität aus. 41 Prozent derjenigen, die in den letzten zwei Jahren einen Schaden gemeldet haben, sind demnach gewillt, trotz positiver Erfahrungen innerhalb der nächsten zwölf Monate ihren Versicherer zu wechseln.
Insgesamt sind Kunden, die einen Schaden gemeldet haben fast doppelt so wechselwillig wie Kunden ohne Schadensfall (41 versus 22 Prozent). Ein drastischeres Bild zeichnet sich bei den 14 Prozent der Versicherungsnehmer ab, welche unzufrieden mit einer kürzlich erfolgten Schadensregulierung waren. Bei ihnen liegt die Wechselneigung bei einem Spitzenwert von 83 Prozent.
„Während negative Erfahrungen bei der Schadensregulierung fast mit Sicherheit zu einem Anbieterwechsel führen, bleiben auch zufriedene Kunden nicht zwangsläufig loyal. Bereits eine Schadensmeldung macht Kunden anfälliger für einen Versicherungswechsel, ganz gleich ob sie zufrieden oder unzufrieden mit der Schadensregulierung seines Anbieters sind“, sagt Meyer. „Unsere Studie zeigt überraschend, dass eine durchschnittlich gute Servicequalität keinesfalls ausreicht. Die Anforderungen sind gestiegen. Versicherer sollten daher den Kundenkontakt in solchen ‚Momenten der Wahrheit‘ wie der Schadensregulierung als Differenzierungsmerkmal wahrnehmen und diesen nutzen, um die Relevanz ihrer Dienstleistung in Szene setzen. Von herausragender Bedeutung kann dabei auch sein, Kunden digitale Werkzeuge an die Hand zu geben, die ihnen helfen, Risiken besser zu managen und insofern die Schadenshäufigkeit zu senken“, so Meyer.
Informationen teilen? Ja, aber nur gegen Mehrwert
Mehr als drei Viertel der Versicherungsnehmer (77 Prozent) sind durchaus bereit, gewisse persönliche Daten und Informationen mit ihrem Versicherer zu teilen, sofern ihnen dafür ein für sie spürbarer Vorteil eingeräumt wird. Ein solcher Mehrwert wären für 77 Prozent geringere Versicherungsprämien, 59 Prozent (in Deutschland sogar zwei Drittel) wünschen sich eine schnellere Schadensregulierung und 28 Prozent erwarten im Gegenzug persönliche Empfehlungen, die ihnen helfen, Risiken besser zu managen und Schäden über Prävention zu vermeiden.
Gefragt nach den konkreten Informationen für ihren Versicherer würden mehr als die Hälfte der Kfz-Versicherten (56 Prozent) Informationen zum Zustand ihres Fahrzeuges preisgeben, 52 Prozent und 39 Prozent von ihnen wären zudem bereit, ihre Fahrgewohnheiten sowie GPS-Daten mit dem Versicherer zu teilen. Im Bereich der Hausratversicherung würden mehr als drei Viertel (78 Prozent) der Kunden weiterhin Daten von Rauch-, Kohlenmonoxid-, Feuchtigkeits- und Bewegungsmeldern teilen und mehr als ein Drittel (39 Prozent) empfindet den Zugriff auf das Material installierter Videokameras nach einem Schadensfall als unproblematisch.
„Versicherungsnehmer stehen einem Informationsaustausch offen gegenüber. Versicherer können anhand dieser Informationen ihre Kunden nicht nur bei ihrem Risikomanagement unterstützen, Schäden vermeiden und in der Konsequenz Versicherungsfälle verhindern. Ein so erneuertes Kundenverständnis bietet außerdem die Grundlage für eine Verbesserung der Loyalität“, erläutert Meyer. „Dafür müssen die Versicherungsunternehmen jedoch auch weit besser auf die Bedürfnisse ihrer Kunden eingehen – von der Geschwindigkeit der Schadensabwicklung über die Transparenz der Prozesse bis hin zur Nutzung innovativer Technologien wie Mobile und Social Media.“
Schnelle Schadensregulierung und Transparenz der Prozesse
Laut der Studie sind die Geschwindigkeit bei der Schadensregulierung und die Transparenz zugrundeliegender Prozessschritte Schlüssel-Faktoren für die Treue der Versicherungskunden.
Für 94 Prozent der Befragten sind diese beiden Aspekte die Erwartungen an ihren Versicherer. Immerhin 90 Prozent legen zudem überaus großen Wert darauf, ihren Anbieter jederzeit kontaktieren zu können, um von ihm in Echtzeit über den Status einer Schadensbearbeitung informiert zu werden.
Zudem setzen bereits zwei Drittel der Versicherten (61 Prozent) auf digitale Kommunikations- und Interaktionskanäle, um sich selbst ein Bild vom Regulierungsstatus machen zu können.
Die Hälfte der Befragten (53 Prozent) würde ihren Versicherer zudem an Freunde und Familie weiterempfehlen, sofern er ihnen digitale Kanäle bietet, wobei sogar 44 Prozent ihren Anbieter wechseln würden, sollte er ihnen keine entsprechenden Plattformen anbieten.
Soziale Netzwerke (Social Media) spielen in diesem Kontext zunehmend eine wichtige Rolle. So ist schon heute jeder dritte Versicherungsnehmer bereit, seine positiven wie negativen Erfahrungen auf Facebook, Twitter & Co. zu posten oder plant dies in Zukunft. Weitere 43 Prozent der Befragten lesen entsprechende Berichte anderer Nutzer in sozialen Medien.
Überraschende Fakten aus der Studie
Mehr als einer von sechs Versicherungsnehmern (17 Prozent) hat bereits einen entstandenen Schaden höher angegeben, als dies tatsächlich der Fall war. Diese Rate fällt bei Kunden, die „sehr zufrieden“ mit der Schadensregulierung ihres Versicherers sind, auf gute acht Prozent.
Nur elf Prozent der Befragten, die von möglichen Applikationen für mobile Endgeräte gehört haben, benutzen tatsächlich Apps für Versicherungen. Allerdings planen 53 Prozent in Zukunft eine solche Nutzung. 37 Prozent zeigten kein Interesse an solchen mobilen Angeboten.
Die Kundenzufriedenheit mit der Schadensregulierung unterscheidet sich von Land zu Land. Sie reicht dabei von 92 und 93 Prozent in Dänemark und Schweden bis hin zu 76 und 73 Prozent in Spanien und Italien am anderen Ende der Skala. Deutsche Kunden bewegen sich mit einer Zufriedenheitsrate von 89 Prozent leicht oberhalb des Gesamtdurchschnitts von 86 Prozent.
Fazit: Im Thema Kundenbindung haben die Versicherer noch einige Chancen sich zu verbessern. Das gilt auch für den Vertrieb, Versicherungsmakler und Versicherungsvermittler. Hier ist das Motto: Immer nah und immer da. Unter Nutzung digitaler und direkter menschlicher Kontakte gilt es vor allem auch im Schadens- oder Leistungsfall die Kunden zu begleiten und zu unterstützen. Dann klappt es auch, so die Studie, mit den persönlichen Empfehlungen der Kunden in Ihrer Umgebung.
Dietmar Braun