Rohstoffe und Wirtschaftswachstum: Down Under rückt ins Blickfeld

Australiens Wirtschaft dürfte dieses Jahr um 4,9 Prozent wachsen, mit solidem Gewinnwachstum und geringem Verschuldungsgrad der Unternehmen.
Als Rohstoffexporteur profitiert das Land von wachsenden Rohstoffpreisen, auch bei Rohstoffen, die für die Energiewende nötig sind und somit langfristig nachgefragt werden.
Es gibt in Australien zahlreiche Sektoren, die von wachsender Inflation profitieren oder davor geschützt sind, etwa Banken, Unternehmen aus der IT und dem Gesundheitswesen sowie Branchen, denen die Wiedereröffnung nach Covid-19 sowie langfristige strukturelle Trends zugutekommen.

Australien befindet sich mit einer Entfernung von etwa 15.000 Kilometern – je nachdem, von wo man rechnet – fast auf der entgegengesetzten Erdhälfte. Doch nun rückt der Kontinent wieder ins Blickfeld der Anleger: Der australische Aktienindex hat mit Stand Ende Februar den Großteil der anderen Märkte übertroffen und lag mit 2,1 Prozent im Plus. Auch im Hinblick auf Wirtschaftswachstum, Geldpolitik, Währung und die Möglichkeiten, die verschiedene Sektoren der Wirtschaft bieten, ist Australien für Investoren spannend. Und: Der Kontinent zeigt gegenüber Angebotsschocks, wie sie durch den Ukrainekrieg verursacht werden, eine hohe Widerstandsfähigkeit.

Wirtschaft auf Wachstumskurs

Bevor die Covid-19-Pandemie eine Rezession auslöste, hielt Australien den Rekord für das längste ununterbrochene Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Fast 30 Jahre kannte die Konjunktur nur eine Richtung: Aufwärts. Dank beispielloser Stimuli und Erfolge bei der Pandemiebekämpfung ist die Volkswirtschaft schon wieder auf dem Wachstumspfad. Australiens Regierung rechnet damit, dass die Wirtschaft im Jahr 2022 um 4,25 Prozent und im Jahr 2023 um 2 Prozent wachsen wird. Unsere eigenen Schätzungen gehen sogar noch weiter. Wir gehen davon aus, dass die aufgestaute Nachfrage das BIP um 4,9 Prozent nach oben katapultieren wird1.

Auch bei den Unternehmen ist die Stimmung gehoben. Das zeigen Wirtschaftsindikatoren wie der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende-, aber auch das Dienstleistungsgewerbe, die beide auf eine wirtschaftliche Verbesserung hindeuten. Die Einzelhandelsumsätze haben ebenfalls positiv überrascht und stiegen um 1,8 Prozent, womit sie die Konsenserwartung um 0,8 Prozentpunkte übertrafen. Zudem glauben wir, dass die Marktmeinung das Gewinnwachstum australischer Unternehmen unterschätzt. In der aktuellen Berichtssaison übertrafen 47 Prozent der im australischen Aktienindex ASX 200 gelisteten Unternehmen ihre Umsatzprognosen und 44 Prozent übertrafen ihre Erwartungen für den Gewinn je Aktie. Und auch der Verschuldungsgrad der Unternehmen liegt auf einem historischen Tiefpunkt.

Förderlich für das Wirtschaftswachstum ist zudem die Geldpolitik der australischen Notenbank. Angesichts der hohen Inflation und sinkenden Arbeitslosenzahlen normalisiert die Reserve Bank of Australia (RBA) allmählich die Geldpolitik. Die quantitative Lockerung ist beendet, und wir erwarten, dass die Notenbank ihren Zinserhöhungszyklus im Februar 2023 oder früher beginnt. Dabei sollten die wohlüberlegten und klar signalisierten Zinsschritte die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen nicht erschweren. Ganz im Gegenteil: Steigende Zinssätze und eine Inflation, die sich innerhalb der von der Notenbank vorgegebenen Bandbreite bewegt, schaffen vor dem Hintergrund eines starken Wirtschaftswachstums ideale wirtschaftliche Bedingungen – zumindest mittelfristig.

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Rohstoffpreise und die Energiewende

Australien ist definitiv einer der Gewinner der aktuellen Situation. Auch wenn mit fast 72 Prozent des BIP der Dienstleistungssektor Australiens Wirtschaft dominiert, sind Rohstoffe kaum als Wirtschaftszweig wegzudenken. Mit Rohstoffen verknüpfte Industrien wie Metallverarbeitung und Chemie sowie die Herstellung von Baumaterialien zählen zu den wichtigsten Branchen. Landwirtschaft und Bergbau sind die wichtigsten Exportsektoren des Landes, und diese beiden Sektoren treiben dank der explodierenden Rohstoffpreise das Wachstum an und haben australische Indizes in die Höhe katapultiert. Mit einem Plus von 133,1 Prozent im Geschäftsjahr 2022 hat der Energiesektor den besten Gewinnwachstumsausblick unter allen Sektoren.

Doch nicht nur der Energiesektor profitiert vom aktuellen Umfeld. Zahlreiche andere Rohstoffe werden nicht nur von der starken Erholung nach der Coronakrise getragen, sondern auch von strukturellen Trends, die durch die Pandemie beschleunigt wurden, etwa der Dekarbonisierung. Dazu zählen Elektrofahrzeuge, Batterien, Erneuerbare Energien und die Elektrifizierung der Dinge. So wurden die Erwartungen für das Gewinnwachstum bei Metallen und beim Bergbau um 3 Prozent nach oben angepasst. Ebenso zeigten jene Stoffe eine gute Performance, die für die Herstellung von Batterien benötigt werden, wie zum Beispiel Lithium oder seltene Erden. Stahl verzeichnet ein Gewinnwachstumsplus von 120,2 Prozent für das aktuelle Geschäftsjahr, ebenso wie Baustoffe, für die ein Gewinnzuwachs von 30,3 Prozent im Geschäftsjahr 2022 erwartet wird.

Von Inflation und Zinserhöhungen profitieren

Neben Rohstoffen gibt es in Australien viele weitere Branchen, die gerade jetzt interessant werden. Dazu gehören Zykliker wie Banken, allgemeine Versicherer und andere Unternehmen, die von einer expandierenden Wirtschaft profitieren. Aber auch Qualitätsunternehmen, die in ihren Sektoren führend sind, über bedeutende Preissetzungsmacht verfügen und somit gegen Inflationseffekte geschützt sind, zählen zu unseren Favoriten. Dabei setzen wir auf führende Unternehmen im Gesundheitssektor und in der IT, die den gegenwärtig wenig optimistischen Sektordurchschnitt übertroffen haben.

Gleichzeitig investieren wir in Branchen, denen die Wiederöffnung der Wirtschaft wieder Leben einhauchen dürfte: Der Reise- und Unterhaltungssektor, private Krankenhäuser oder führende globale Unternehmen, die nachweislich über eine hohe Ertragssicherheit verfügen. Langfristig werden die Themen Dekarbonisierung, erneuerbare Energien, Elektrofahrzeuge, Kreislaufwirtschaft und fokussierte globale Infrastrukturausgaben den australischen Markt auf dem Weg ins Jahr 2022 weiterhin stützen, insbesondere Unternehmen aus dem Rohstoffsektor.

1 Diese Schätzung geht von einem Ölpreis von 80 USD je Barrel aus.

Kolumne von Paul Xiradis, Portfoliomanager des Candriam Equities L Australia