Ökonom Hüfner: Neue Ära am Bondmarkt?
07.02.2013
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Der aktuelle Marktkommentar von Dr. Martin Hüfner geht auf die Zinsentwicklung, insbesondere am langfristigen Ende ein. Es spreche einiges dafür, dass die Langfristzinsen steigen würden.
(fw/ah) "Aufregung an den Bondmärkten. In den letzten Monaten sind die Renditen unerwartet stark gestiegen. Bei 10-jährigen Staatsanleihen liegen sie jetzt um rund einen Prozentpunkt höher als im August/September. Bei Adressen mit schlechterer Bonität haben sie sich zum Teil noch stärker ausgeweitet. Das gilt nicht nur für die Peripherieländer des Euroraums. Auch Unterneh
mensanleihen haben stärker gelitten. In den USA sind die Zinsen für Kommunalobligationen (Municipal Bonds) nach oben gegangen. Schauen wir uns dazu die Gründe für den Zinsanstieg an. Es sind insgesamt drei. Der eine ist die steigende Risikoaversion der Investoren. Die Zeiten sind unsiche
rer geworden. Anleger haben Angst vor Umschuldun
gen. Das gilt nicht nur für Emittenten, die traditionell schlechter geratet sind. Es gilt auch für solche, bei de
nen bisher überhaupt kein Ausfallrisiko angenommen wurde. Bei deutschen Bundesanleihen beispielsweise wird befürchtet, dass sich die Bundesrepublik bei der Rettung anderer EU-Länder übernehmen könnte.
Die Risikoaversion kann sicher noch zunehmen, vor al
lem wenn die Staatsfinanzen der USA stärker ins Visier kommen. Andererseits wird hier zum Teil auch übertrie
ben. Die Aktienmärkte zeigen, dass die Risikoaversion der Anleger generell gar nicht so hoch ist.
Die zweite Ursache sind die traditionellen zyklischen Faktoren. Die Inflationserwartungen sind im Zuge der Konjunkturerholung gestiegen (vor allem in den USA). Der Refinanzierungsbedarf der Staaten und der Banken ist sehr hoch. In Europa verringert sich die Liquidität. Die Geldmarktsätze haben sich erhöht. Im kommenden Jahr könnte es in Europa zu einer Leitzinserhöhung kommen. Auch hier muss man freilich die Kirche im Dorf lassen. Noch ist die Inflation niedrig. Noch ist die Geldpolitik ex
pansiv. In den USA interveniert die Federal Reserve auf den Kapitalmärkten, um einen stärkeren Zinsanstieg zu verhindern. Der dritte Grund ist das Ende des langfristigen Zinszyk
lus. Die amerikanischen Zinsen haben sich in den letzten hundert Jah
ren zunächst weitgehend seitwärts bewegt. Nach 1950 gingen sie dann im Zu
ge des Wirtschaftsaufschwungs der Nachkriegszeit über dreißig Jahre kontinuierlich nach oben. Der Höhepunkt wurde mit der zweiten Ölkrise Anfang der 80er Jahre er
reicht. Anschließend begann "die goldene Zeit der Bond
märkte". Die Zinsen verringerten sich über drei Jahr
zehnte fast ohne Unterbrechung. Bonds outperformten durch die hohen Kursgewinne die Aktien. So eine Zins
senkung kann natürlich nicht ewig dauern.
Es gibt Beobachter, die jetzt nach dem Muster der Ver
gangenheit erneut auf einen säkularen Anstieg der Zin
sen setzen. Dafür gibt es aber keine Anzeichen. Vor al
lem ist das gesamtwirtschaftliche Wachstum dafür zu schwach (verglichen mit dem Wachstum in der Nachkriegszeit). Wahrscheinlich ist eher, dass es in Zukunft wieder eher eine Seitwärtsbewegung gibt, freilich mit erheblich größeren Schwankungen. Die Seitwärtsbewegung könnte sich um die 4 % vollziehen, also einen halben bis einen Prozentpunkt höher als heute.
Zusammen deuten diese Gründe darauf hin, dass die Renditen im nächsten Jahr höher sein werden, nicht dramatisch, aber spürbar. Solange eine große Inflation nicht im Anmarsch ist, ist die Wahrscheinlichkeit einer stärkeren Zinssteigerung nicht groß. Freilich werden die Zinsschwankungen angesichts der allgemeinen Unsi
cherheit höher sein als früher. Von einer Leitzinserhöhung (mit der ich in Europa noch im Laufe des nächsten Jahres rechne) gehen nicht zwangsläu
fig negative Effekte auf die Renditen aus. Die Zinsstruk
tur ist nach wie vor sehr steil. Langfristzin
sen sind in Eu
ropa derzeit zwei Prozentpunkte höher als Geldmarktzinsen. Der Abstand ist fast doppelt so hoch wie im län
gerfristigen Durchschnitt. Der Kapitalmarkt hat also ei
nen erheblichen Puffer, bevor er durch Leitzinser
hö
hungen nach oben gedrückt wird. Im Übrigen wird die Notenbank bei Zinserhöhungen vorsichtig vorgehen.
Womit man rechnen muss ist, dass die europäischen Zinsen im kommenden Jahr über das Niveau der ame
rikanischen steigen werden. Die Kapitalmarktbedin
-gungen in Europa sind schlechter als in den USA. In Deutschland (= die Benchmark der europäischen Bonds) boomt die Konjunktur. Die Europäische Zen-tralbank agiert weniger expansiv als die Federal Re
serve. Es gibt die Hypothek der Eurokrise. Nur wenn die US-Konjunktur stärker anziehen sollte, bleiben die europäischen Zinsen unter den amerikanischen.
Auf dem Bondmarkt ist Vorsicht geraten. Der Anstieg der Renditen in den letzten Monaten ist ein Warnschuss. Er kann auch noch etwas weiter gehen. Andererseits sollte man nicht zu pessimistisch sein. Nach der jahr
zehntelangen Zinssenkung sieht es - wenn es nicht zu einer Hyperinflation kommt - nicht nach einer neuen jahrzehntelangen Zinserhöhung aus. Was uns bevor
steht ist eher eine Seitwärtsbewegung auf etwas höhe
rem Niveau. Dazu müssen die aktuellen Zinsen aber erst noch einmal etwas steigen. Allerdings werden die Papiere in Zukunft nicht mehr so attraktiv sein. Die Kurs
gewinne, die den Bondsmarkt in den letzten Jahren so interessant gemacht haben, werden fehlen."