Kubicki im finanzwelt-Interview: „Kein Gnadenakt“
04.05.2020
Wolfgang Kubicki / Foto: © FDP
finanzwelt: Wie hoch schätzen Sie als Volkswirt im Corona-Kontext die Gefahr einer Hyperinflation in Deutschland ein?
Kubicki: Das ist möglich, aber nicht sehr wahrscheinlich. Es wird einen heftigen konjunkturellen Einbruch geben – mit einer leider deutlich steigenden Zahl von Arbeitslosen. Angela Merkel wird erleben, dass der strikte Lockdown, den sie ja favorisiert, ihr die Steuereinnahmen wegbrechen lässt. Daher wird sie aus fiskalischen Gründen schon dazu gezwungen sein, intelligentere Strategien zum Gesundheitsschutz umzusetzen als derzeit. Wenn wir nicht langsam versuchen, unter besonderer Berücksichtigung des Gesundheitsschutzes unsere wirtschaftliche Tätigkeit wieder hochzufahren, dann bekommen wir alle ein Problem. Da das realwirtschaftliche Angebot nach längerer Zeit die Nachfrage übersteigen wird, sehe ich keine exorbitanten Preissteigerungen.
finanzwelt: Das Internet gehört zu Ihren Themenschwerpunkten. Wie sehr wird E-Commerce Ihrer Einschätzung nach von der Pandemie profitieren? Werden sich die vielen kleinen bzw. mittelgroßen Einzelhandelsbetriebe nach der Krise wieder erholen oder wird Amazon einfach ihren Marktanteil schlucken? Nicht zuletzt auch, weil sich in der Krise viele Konsumenten an das Shoppen bei Amazon gewöhnt haben?
Kubicki: Ich sehe auch eine Tendenz, dass die großen Player von der Krise profitieren. Das betrifft nicht nur Amazon, sondern all jene, die ein viel dickeres Kapitalpolster haben als das kleine Geschäft um die Ecke. Im Bereich E-Commerce fangen die kleineren Läden dankenswerterweise an, sich für das Digitalgeschäft weiter zu öffnen. Es bleibt am Ende auch in der Hand der Verbraucher, ob sie die Buchhandlung mit der persönlichen Beratung drei Straßen weiter behalten wollen, oder nicht. Ich würde mir auch wünschen, dass sich mehr Menschen bewusster entscheiden, wo sie etwas kaufen. Eine staatliche Hand, die sie in dieser Frage leitet, möchte ich aber nicht.
Wie Kubicki das Verhalten der Bundesregierung in der Krise bewertet, lesen Sie auf Seite 3