Johann Lafer - Mission und Passion guten Geschmackes
01.04.2013
Johann Lafer
Das Lächeln von Starkoch Johann Lafer begegnet uns auf Schritt und Tritt – in den Medien, in Buchhandlungen, im Einzelhandel, in Feinkostabteilungen und ganz besonders auf „seiner" Stromburg. Fleiß und Liebe des Paares Lafer verwandelte das einstige Ausflugsgasthaus in eine der ersten Gourmetadressen Deutschlands.
Auf der Stromburg geht es familiär zu. Kaum ist der Gast in den Räumen der Burg, umhüllt ihn eine Freundlichkeit, wie sie nur ein gutes Zuhause bietet. finanzwelt besuchte Johann Lafer auf der Stromburg und der Starkoch erzählte uns im Interview vieles über Geschmack, Geld und Genuss. Der Chef komme gleich, sagt die Dame am Empfang, ob die Wartezeit mit etwas Essen verkürzt werden solle? Ja, natürlich. Kaum ist das Wiener Schnitzel nach Art des Meisters auf dem Teller, kommt auch schon der Chef. „Essen Sie erst, dann wissen Sie auch, worüber wir reden“, meint Lafer mit charmantem Lächeln. So war es. Essen bildet eben.
finanzwelt: Herr Lafer macht gutes Essen klüger? Brauchen wir mehr Wissen über Nahrungsmittel?
Lafer: Die Referenzhöhe des Geschmacks ist für mich Bildung. Wie soll ich sonst entscheiden, was für mich gut ist? Wenn man sich einen Geschmackshorizont angegessen hat, kommt der Genuss. Dieser ist Entspannung und Erlebnis, das ist auch gesund. Ich arbeite aktuell an einer Schulmensa in Bad Kreuznach mit Kindern, denn Geschmack und gutes Essen ist lernbar. Was schmeckt aus der heimatnahen Region? Was wächst wann und ist dann für die Mensa verfügbar? Was bewirken Salz und Pfeffer beim „Abschmecken“? Das Wissen rund um unsere Ernährung ist nicht nur für Kinder wichtig.
finanzwelt: Ist es wirklich Wissen oder entscheidet im Alltag der Preis über Kauf und Konsum?
Lafer: Der Schlüssel ist hier Vertrauen. Vertrauen kommt vor Qualität. Mündige Bürger entscheiden selbst, ob sie eine Lasagne für wenige Cents kaufen und essen wollen. Der Konsument hat keine Beziehung zur Preisbildung und deren Hintergründe. Er interessiert sich nur für Produkte, vergleicht Preise und vertraut auf Handel und Hersteller. Wertschätzung kommt über Erfahrung.
finanzwelt: Wird also auch beim Essen auf Fachleute vertraut? Wie bei Finanzen und bei allem, wo Menschen ein zu geringes Basiswissen haben oder kaum Hintergründe kennen?
Lafer: Es gibt im Leben für alles Fachleute. Ein Gast oder ein Anleger möchte nach meiner Erfahrung vor allem in seinen Wünschen und Zielen verstanden werden. Wenn ich koche, denke ich immer: Gefällt das dem Gast auch so, wird es ihm sehr gut schmecken und ein Genuss für ihn sein? Den Beruf Koch kann keiner im 3-Sterne-Restaurant auf die Schnelle lernen. Es gehört dazu, zu wissen, was schmeckt. Vieles ist voraussehbar und planbar, es hat mit Basis- und Hintergrundwissen zu tun, aber der Punkt ist: Nachhaltigkeit muss gelebt werden, dann vertrauen die Menschen.
finanzwelt: Reicht also „vor Risiken und Nebenwirkungen wird gewarnt“, ansonsten zählt Vertrauen?
Lafer: Vertrauen und eigene Verantwortung sind im Leben nicht zu trennen. Es ist mein Körper, und mein Körper ist mein Kapital. Sage mir was du isst, und ich sage Dir, wer Du bist. Ein Bewusstsein für gesunde Ernährung ist wichtig. Aus vielen kleinen Fehlern kann eine Kettenreaktion entstehen. Wir machen uns jeden Tag über vieles Gedanken, machen wir uns auch ausreichend Gedanken über unseren Körper?
finanzwelt: Viele Menschen begründen den Griff zu Fertiggerichten und Fastfood mit Zeitmangel. Was denken Sie darüber?
Lafer: Der Faktor Zeit ist da Selbstbetrug. Menschen sind von ihrer Zeit geprägt und möchten diese Zeit am liebsten festhalten. Gleichzeitig verschwenden sie Zeit mit ihrem Handy und modernen Ablenkungen. Der Genuss ist da das richtige Kontrastprogramm. Wenn Menschen Zeit in sich selbst investieren, zum Beispiel in Genuss und Entspannung, dann entdecken sie in negativen Situationen des Alltags auch wieder die Chance und das Positive. Ich glaube, das Leben ist vorbestimmt, aber man muss für sein Schicksal täglich arbeiten und die richtige Richtung wählen.
finanzwelt: Was ist das Geheimnis guter Küche – gibt es eine Formel für Genuss?
Lafer: Beim Kochen sind es Nuancen einer detaillierten Zusammensetzung, die eine Rolle spielen – eine gute Küche ist eine Komposition, an deren Ende der Genuss steht. Im Prinzip ist jedes sehr gute Rezept eine Formel – aber in der Umsetzung kommt es beim Kochen auf viel Gefühl und Intuition an. Entschieden wird dann mit den Geschmacksknospen der Menschen, diese beurteilen Süße, Säure, Salzgehalt, Bitterkeit und Umami (Herzhaftigkeit) – eben die gesamte Komposition. Hier spielt natürlich der bereits erwähnte Geschmackshorizont des Gastes eine Rolle. Ein erfahrener Gast und Genießer entdeckt einiges mehr als jemand, dem es einfach nur sehr gut schmeckt. Beide sollen aber beim Essen Freude empfinden.
finanzwelt: Wie bereitet sich ein Meisterkoch wie Sie auf eine Koch-Show vor, um auch diesen Genuss beim Essen zu vermitteln? Sie sind ja auch immer bestens gelaunt, wie halten Sie sich denn bei all den vielen Terminen und Auftritten fit?
Lafer: Vor jeder Show muss ich in Ruhe gut essen. Ich erzähle den Menschen doch nichts über Lebensqualität mit einem leeren Magen. Ich liebe morgens nach etwas Sport und Bewegung ein gutes Frühstück. Mittags dann ein leckeres Essen. Und abends wird sprichwörtlich nur wenig gegessen. Wenn Sie erfolgreich sein wollen, müssen Sie an anderer Stelle Kompromisse machen. Geld verdienen ist nicht alles. Was nutzt sehr viel Geld, wenn es einem an Lebensfreude fehlt? Darum nehme ich mir Zeit, mit Menschen zu reden. Mit meinen Mitarbeitern, meinen Gästen, Kunden und Kollegen.
finanzwelt: Herr Lafer, das war wirklich alles sehr aufschlussreich und interessant. Haben Sie denn Ihrerseits eine Frage in diesem Interview vermisst?
Lafer: Ja. Dass ich gefragt werde, wie ich mein Geld anlege. Die Antwort hierzu lautet: Ich mache es wie jeder andere auch – ich habe persönliche Berater, denen ich vertraue. Einmal hatte ich mich auf Anraten eines Bankmitarbeiters in Medienfonds engagiert. Als der Fonds sich als ein schlechtes Engagement erwies und ich mich dagegen wehrte, war ich erstaunt, dass es sich hier doch nach Darstellung der Bank um einen „erfahrenen“ Investor handele. Vom Kochen verstehe ich etwas, aber bei der Anlage hatte ich schlicht dem Bankberater vertraut, was sich in diesem Fall als falsch herausstellte. Seither achte ich bei Geldgeschäften wieder auf den Menschen, der mich berät, und dessen Charakter.
finanzwelt: Das klingt, als hätte Ihr Vertrauen in Banken gelitten. Misstrauen Sie Finanzinstituten?
Lafer: Früher standen Banken für Treu und Glauben, und das war gut. Für mich zählt nicht das Stück Papier bei Finanzgeschäften, sondern die Menschlichkeit. Nachhaltigkeit muss überzeugend gelebt werden und ist langfristig zu sehen. Etwas Demut täte der Finanzbranche ganz gut, Vertrauen entsteht über Glaubwürdigkeit und Kompetenz. Es sind Menschen, die für Menschen arbeiten.
finanzwelt: Gibt es ein Lebensmotto oder ein Sprichwort, das Sie täglich motiviert?
Lafer: Ich lebe nach dem alten deutschen Sprichwort „Mit dem Hut in der Hand kommst Du durch das ganze Land“. Mit dieser Lebensweisheit mahnte mich meine Mutter stets zu Höflichkeit und Rücksichtnahme. Ein Lächeln und ein freundlicher Gruß sind menschenverbindend. Für mich ist das ein Lebensmotto, welches uns allen gerade in der heutigen Zeit sehr gut zu Gesicht stünde.
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(Das Gespräch führte Dietmar Braun)_