"Investitionskriterien in der Branche werden strenger"

28.03.2023

Frederick Michna - Foto: © MIG Capital

Nach Jahren der Superlativen war 2022 auch für die Private Equity-Branche eine Zäsur. Zumindest bezüglich Deal-Größe und Exitoptionen. Frederick Michna, Principal MIG Capital, im Interview mit finanzwelt-Redakteur Alexander Heftrich.

finanzwelt: 2022 war auch für den weltweiten Private-Equity-Sektor ein Jahr voller Herausforderungen. Wie blicken Sie angesichts des veränderten Umfelds (Zinswende, geopolitische Störfeuer) derzeit auf ihre Assetklasse?

Frederick Michna: Die Herausforderungen im vergangenen Jahr trafen die VC Fonds gleichermaßen wie den gesamten Private Equity Sektor. Es bedurfte eines Umdenkens, um in diesem veränderten Umfeld die richtigen Entscheidungen zu treffen. Resilienz beispielsweise ist inzwischen wichtiger als sehr hohes Wachstum. Gleichzeitig sichern die erfolgreichen Player im VC-Markt ihre Cash-Positionen, um aktionsfähig zu bleiben.

finanzwelt: Welche Themen wirken aktuell auf die Branche ein?

Michna: Die Unsicherheit der Rahmenbedingungen beeinflussen aktuell die Diskussionen und Entscheidungen. Stehen wir in Deutschland derzeit vor einer Rezession mit erheblichen Folgen für die Start-up Finanzierung oder kommen wir mit einem blauen Auge davon, ist nur eine der schwer vorhersehbaren Fragestellungen. Fest steht, dass die Investitionskriterien in der Branche strenger werden. Das Fundraising ist anspruchsvoller als noch in den vergangenen Jahren. Das gilt sowohl für institutionelle als auch private Investoren, die zurückhaltender agieren. Darüber hinaus wird das Thema Nachhaltigkeit zunehmend ernst genommen und ist für viele PE- und VC-Fonds endgültig in der Prioritätenliste sehr weit nach oben gerückt.

finanzwelt: Wird Ihr Augenmerk 2023 bspw. verstärkt auf dem Management des bestehenden Portfolios liegen?

Michna: Diesen Schwerpunkt haben wir 2022 gesetzt. Der Fokus lag eindeutig auf der Unterstützung des Managements unserer 30 Beteiligungen. Es war wichtig, den Teams zu vermitteln, wir stehen als Investor auch in turbulenten Zeiten hinter Euch. Viele Diskussion drehten sich notgedrungen auch um die Kostenseite beziehungsweise die Verlängerung der Cash-Reichweite. Diese Perspektive war für viele Portfoliofirmen neu. Als Konsequenz der Rahmenbedingungen erfolgten auch überproportional viele Folgeinvestitionen. Dieses Jahr hingehen liegt unser Fokus wieder verstärkt auf neuen Investitionen.

finanzwelt: Welche Entwicklungen stellen Sie bei den Transaktionen fest? Sind kleinere Deals weiterhin attraktiver?

Michna: Wir achten stärker auf Einstiegsbewertungen und die Reichweite der Finanzierungen.

Kleinere Deals sind aus Investorensicht besonders attraktiv, weil sie uns eine Diversifizierung des Portfolios ermöglichen. Gleichzeitig müssen VC-Investoren ihren Beteiligungen aber auch ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, damit diese eine längere Wegstrecke fokussiert arbeiten können. Ansonsten rennen sie ständig von einer Finanzierungsrunde zur nächsten.

finanzwelt: Insbesondere das VC-Geschäftsklima kühlte zuletzt deutlich ab. Wie sehen Sie hier die Perspektiven?

Michna: Vor der Krise herrschte bei Start-ups und Wagniskapitalgebern viel Euphorie. Inzwischen ist eine nüchterne Betrachtung eingekehrt. Wie immer trennt sich in solchen Zeitenwenden die Spreu vom Weizen. Diese neue Rationalität ist möglicherweise sogar heilsam. Hervorragende Fonds und Deals bekommen immer noch Kapital, aber die zweite Liga hat es schwer. Ein anderer Trend ist, dass allmählig mehr öffentliche Gelder dem Start-up Sektor zufließen. Das tut der Branche gut, doch wir sind in diesem Bereich noch weit entfernt von US-amerikanischen Verhältnissen und dem „Inflation Reduction Act“. Wir sind überzeugt, dass viele gesellschaftliche Herausforderungen wie zum Beispiel die Energiewende oder die Zukunft der Medizin nur mit VC-finanzierter Innovation gelingen werden. Insofern sind die Daseinsberechtigung und der Impact unserer Branche relevanter denn je.

finanzwelt: Wie schätzen Sie angesichts der Gesamtmarktlage die Chancen für Exits, im Besonderen einem möglichen IPO-Fenster, ein?

Michna: Aktuell halten wir das Umfeld nach wie vor für sehr unsicher, obwohl wir feststellen, dass derzeit unterschiedliche Meinungen zu dieser Frage im Markt kursieren. Es gibt hier und da wieder Opportunitäten für Trade Sales, aber nicht immer zu angemessenen Bewertungen. Bei IPOs gehen wir davon aus, dass sich für die meisten Unternehmen frühestens ab 2024 das Fenster wieder öffnen wird.

finanzwelt: Welche Branchen/Sektoren erachten Sie derzeit weiterhin als optimistisch?

Michna: Vor allem B2C-Geschäftsmodelle haben im vergangenen Jahr stark gelitten haben. Anders war es bei Unternehmen mit einem nachhaltigen, innovativen Technologieansatz. Diese haben die multiplen Krisen besser gemeistert. Wir sind daher weiterhin optimistisch für unsere Fokusbereiche Life Science und Deep Tech. Besondere Chancen sehen wir beispielsweise für die Sektoren Biotechnologie, künstliche Intelligenz, Digitalisierung industrieller Prozesse sowie Energie- und Umwelttechnologien. Vor dem Hintergrund der Stärkung der europäischen Souveränität muss auch der ganze Bereich sicherheitsrelevanter Anwendungen neu bewertet werden.