Hochstimmung am Goldmarkt
02.09.2024
Karsten Marzinzik. Foto: Swisscanto
Die globalen Konjunkturdaten sind in den vergangenen Wochen erneut schwächer ausgefallen als erwartet. Anfang August haben überraschend schwache Arbeitsmarktdaten aus den USA bei den Anlegern für ein erneutes Aufflackern der Rezessionsängste gesorgt. Diese haben sich aber rasch wieder verflüchtigt, weil sich die US-Wirtschaft und vor allem der Privatkonsum erneut als robust erwiesen haben.
Das Beschäftigungswachstum hat sich in den vergangenen Monaten zwar deutlich verlangsamt und die Arbeitslosigkeit hat zugenommen. Aus Sicht der US-Notenbank Fed ist diese Abkühlung aber bis zu einem gewissen Grad durchaus erwünscht, damit der Lohn- und Preisdruck weiter abnimmt und die Inflation wieder auf den Zielwert von 2% zurückkehrt. Außerdem verläuft die Abkühlung bisher graduell. Die Arbeitslosenrate ist mit etwas über 4% nach wie vor tief. Gleichzeitig gibt es immer noch viele offene Stellen, während die Zahl der Entlassungen auf niedrigem Niveau verharrt. In Kombination mit der rückläufigen Inflation wird damit die Grundlage für eine weniger restriktive Geldpolitik geschaffen. Der Präsident der Fed, Jerome Powell, hat Ende August denn auch durchblicken lassen, dass die Notenbank kurz vor ihrer ersten Zinssenkung steht.
Anhaltende Leitzinssenkungen bis ins nächste Jahr
Wir erwarten, dass der US-Leitzins von derzeit 5,5% bis Mitte 2025 auf ein neutrales Niveau von 3,5% sinken wird. Das entspricht einer Zinssenkung von 25 Basispunkten an jeder kommenden Sitzung des Fed. Unter diesen Voraussetzungen stehen die Chancen gut, dass die Wachstumsverlangsamung in den USA auch in Zukunft in geordneten Bahnen verläuft und eine Rezession verhindert werden kann. Auch in den anderen Industrieländern werden die Notenbanken weiter an der Zinsschraube drehen. In den Schwellenländern rechnen wir hingegen vor allem in Lateinamerika und Osteuropa nur noch mit einer begrenzten Anzahl an Zinssenkungen. Allerdings hat die Zinswende in diesen beiden Regionen auch deutlich früher eingesetzt. In den asiatischen Schwellenländern hat der Zinssenkungszyklus indessen gerade erst begonnen. Das deutlich tiefere Zinsniveau sorgt jedoch dafür, dass das Potenzial für markante Zinssenkungen begrenzt ist.
Geringe Risikoprämien bei US-Unternehmensanleihen
In den USA bleiben die Aufschläge, die für das höhere Risiko von Unternehmensanleihen entschädigen, trotz der jüngsten Turbulenzen an den Finanzmärkten im historischen Vergleich tief. Die Spreads in den USA liegen deutlich unter dem Median der vergangenen zehn Jahre. Die Kreditaufschläge im Investment-Grade-Bereich waren nur in 11% der Fälle tiefer als aktuell, während es im High-Yield-Segment sogar nur 4% waren. Dies spricht gegen ein Engagement in USD-Unternehmensanleihen, denn es gibt einen positiven Zusammenhang zwischen dem Spreadniveau und der realisieren Outperformance gegenüber Staatsanleihen in den darauffolgenden zwölf Monaten: Hohe Spreadniveaus beim Einstieg führten in der Tendenz jeweils zu einer höheren Outperformance. Die tiefen Spreads, die aktuell zu beobachten sind, sprechen also für ein begrenztes Renditepotenzial. Hinzu kommt das Risiko, dass konjunkturelle Sorgen in den USA wieder aufflackern könnten. Auch wenn dies nicht unserem Basisszenario einer Abschwächung der US-Konjunktur in geordneten Bahnen entspricht, bleibt eine stärkere wirtschaftliche Abschwächung ein Risikofaktor, für den man am Unternehmensanleihenmarkt aktuell nicht genügend entschädigt wird. Attraktiver präsentieren sich die Kreditaufschläge für Investment-Grade-Anleihen in EUR und in CHF. Sie liegen im Bereich des Medians der vergangenen zehn Jahre. Zudem dürften europäische Unternehmensanleihen von der von uns erwarteten graduellen Erholung der Konjunktur in Europa und von den weiteren Zinssenkungen der EZB profitieren. Für europäische High-Yield-Anleihen ist das konjunkturelle Bild unserer Meinung nach aber noch zu fragil.
US-Wahlen ohne speziellen Einfluss auf den Aktienmarkt
Immer wenn US-Präsidentschaftswahlen anstehen, kommt die Frage auf, ob und inwieweit dieses Ereignis den US-Aktienmarkt beeinflusst. Wir haben Tagesdaten für den S&P 500 seit den späten 1920er-Jahren und können somit einen Blick auf die letzten 24 Vor- und Nachwahlperioden werfen. Fasst man die Aktienmarktverläufe um den Wahltag (Tag 0) in einer Grafik zusammen, entsteht ein Wimmelbild ohne erkennbares Muster. Bildet man aus den einzelnen Perioden einen durchschnittlichen Verlauf, könnte man den Schluss ziehen, dass Wahlen dem Aktienmarkt förderlich sind, da er – mit Ausnahme einer schwachen Phase im September und Oktober – tendenziell steigt. Interessanterweise endet die Schwächephase aber bereits vor dem Wahltermin, was ein erster Hinweis darauf ist, dass eher andere Faktoren treiben. Der Eindruck verstärkt sich, wenn man den Durchschnitt der übrigen Jahre bildet. Der Verlauf ähnelt dem der Wahljahre; das gilt vor allem für das unmittelbare Umfeld (+/- 60 Tage) der Wahltage.
Ruhe vor dem nächsten Sturm in Japan
Der japanische Aktienmarkt hat seit Mitte Juli eine extreme Achterbahnfahrt hinter sich. Auslöser waren die Geldpolitik der Bank of Japan (BoJ) im Verhältnis zu den geldpolitischen Erwartungen für die Fed sowie die Stimmungsschwankungen der Investoren in Bezug auf die US-Konjunktur. Zusammen führte dies zu einer kräftigen und schnellen Aufwertung des Yen gegenüber dem US-Dollar, was den währungssensitivsten Markt in unserem Aktienuniversum durchschüttelte. In vorherigen Ausgaben hatten wir bereits auf dieses Risiko hingewiesen. Aktuell sieht man allerdings, dass der Aktienmarkt überreagiert hat. Da die Gewinnentwicklung der Unternehmen nach wie vor überdurchschnittlich ist, sehen wir kurzfristig Erholungspotenzial. Wir gehen aber davon aus, dass sich die Stimmung wieder eintrübt, je näher die BoJ-Sitzung im Oktober rückt, an der wir eine weitere Zinserhöhung erwarten.
Gold: Fortsetzung der Rally?
Der Goldpreis übersprang im August im Zuge der Schwäche des US-Dollar und sinkender US-Realzinsen erstmals die Marke von USD 2 500 pro Unze. Geholfen haben dabei auch die anhaltenden geopolitischen Unsicherheiten im Nahen Osten. Für eine Fortsetzung der Rally spricht der Beginn des Zinssenkungszyklus in den USA, der zu tieferen Opportunitätskosten bei Gold führen dürfte, auch wenn sich Letztere auf einem erhöhten Niveau befinden. Zudem sorgt die Nachfrage der Zentralbanken nach Gold weiterhin für strukturelle Unterstützung. Andererseits haben Zentralbanken in der Vergangenheit auf starke Preisveränderungen reagiert, was dazu führen könnte, dass sie bei dem aktuellen Goldpreisniveau ihre Käufe drosseln. Außerdem zeigt sich, dass die Nachfrage chinesischer Privatinvestoren nach Gold beim aktuellen Preisniveau an Grenzen stößt, denn der Aufschlag des Goldpreises für chinesische Privatinvestoren gegenüber dem internationalen Goldpreis hat sich zuletzt gänzlich zurückgebildet. Und gemessen an der Netto-Long-Positionierung ist Euphorie am Markt zu beobachten, was die Gefahr für Rücksetzer erhöht. Deshalb bleiben wir nur vorsichtig optimistisch für den weiteren Verlauf des Goldpreises.
Schwächere Schmucknachfrage wird kompensiert
Die Zahlen des World Gold Council für das 2. Quartal 2024 zeigten eine weiterhin sehr robuste Goldnachfrage. Gemessen an der Gesamtnachfrage war dies sogar das stärkste Frühlingsquartal in der Historie. Bei der Zusammensetzung kam es allerdings zu deutlichen Verschiebungen. Der hohe Goldpreis hinterlässt Spuren bei der Schmucknachfrage. Sie fiel zwischen April und Juni so tief aus wie zuletzt im 3. Quartal 2020. Kompensiert wurde die schwächere Nachfrage aus der Bijouterie von einer höheren außerbörslichen Nachfrage (OTC). Zentralbanken steigerten netto ihre Goldbestände im Vergleich zum Vorjahresquartal, reduzierten den Goldaufbau aber gegenüber dem 1. Quartal 2024. Letzteres ist vor allem auf die chinesische Notenbank PBoC zurückzuführen, bei welcher die offiziellen Goldreserven Ende Mai und Juni keine Veränderung zeigten. Und auch für Juli wurde ein unveränderter Goldbestand gemeldet. Zweifel bestehen aber, dass die PBoC nach 18-monatigen Zukäufen den Goldaufbau für längere Zeit stoppt.
Marktkommentar von Karsten Marzinzik, Country Head Germany, Austria and Liechtenstein, Swisscanto.