Hat Karlsruhe die niedrigen Bauzinsen weiter zementiert?
06.05.2020
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Mit ihrem Anleihekaufprogramm verstößt die EZB nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts gegen das Grundgesetz. Das Urteil könnte weitreichende Folgen haben – sowohl auf die Baufinanzierungszinsen als auch für die Corona-Hilfen.
Zwischen den Jahr 2015 und 2018 kaufte die EZB im Rahmen des Public Sector Purchase Programme (PSPP) für mehr als 2 Billionen Euro Staatsanleihen und andere Wertpapiere der Euroländer. Dieses Programm wurde im vergangenen November wieder aufgenommen, wenn auch in geringerem Umfang. Sehr kritisch wurde das Programm sowohl vom früheren CSU-Politiker Peter Gauweiler als auch von AfD-Gründer Bernd Lucke gesehen. Weil sie darin eine verbotene Staatsfinanzierung verschuldeter Euroländer sehen, klagten die beiden Politiker gegen PSPP. Diese Klage beschäftigt das Bundesverfassungsgericht bereits seit mehreren Jahren und die Karlsruher Richter haben bereits mehrfach Bedenken über das Programm geäußert. Jedoch entschied Ende 2018 der Europäische Gerichtshof, dass die Anleihekäufe rechtmäßig seien. Somit widerspricht das Bundesverfassungsgericht der EuGH-Auffassung. So verstößt laut Karlsruhe der Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB teilweise gegen das Grundgesetz, denn weder Bundesregierung noch Bundestag hätten die EZB-Beschlüsse geprüft. Nun darf die Bundesbank nach einer Übergangsfrist von höchstens drei Monaten nicht mehr an der Umsetzung des PSPP mitwirken, sofern der EZB-Rat in einem neuen Beschluss nicht nachvollziehbar darlegt, dass das Programm verhältnismäßig ist.
Urteil mit womöglich weitreichenden Folgen
„Theoretisch könnte die Entscheidung enorme Auswirkungen für den Euroraum haben“, erklärt Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender der Dr. Klein Privatkunden AG. „Das Kapital der EZB stammt von den nationalen Zentralbanken aller EU-Mitgliedstaaten und die Bundesbank ist der mit Abstand größte Anteilseigner. Auf sie entfällt daher ein großer Anteil der Anleihekäufe. Ich gehe aber davon aus, dass der EZB-Rat innerhalb der nächsten drei Monate zeigen wird, dass das Programm verhältnismäßig ist. Und in der Folge wird die Bundesbank weiter an den Käufen teilnehmen.“ Insgesamt wertet Michael Neumann das Urteil daher auch als Niederlage für die Kläger, vor allem weil das Bundesverfassungsgericht den Vorwurf unerlaubter Staatsfinanzierung durch die EZB zurückgewiesen hat. „In meinen Augen handelt es sich beim PSPP um eine Staatsfinanzierung, wenn auch eine indirekte. Letztlich können sich die Staaten darauf verlassen, dass die EZB weiterhin als Käuferin von Anleihen am Kapitalmarkt auftritt. Durch diesen Markteingriff sinken die Renditen und die Mehrzahl der Staaten können sich günstiger refinanzieren, als es die jeweilige Bonität zulassen würde. Das hat den Staaten in den Krisen der letzten Jahre zwar Zeit verschafft und die Märkte beruhigt, aber es führt auf der anderen Seite zu Reformunwilligkeit der Politik. Indirekt bezahlen die Sparer die Politik der EZB über die schleichende Enteignung ihrer Sparvermögen. Das war einer der Gründe für die Klage und das wird das Urteil nicht verhindern“, schließt der Baufinanzierungsexperte.
Warum das Urteil auch die aktuellen Corona-Hilfen und die Bauzinsen betreffen könnte, lesen Sie auf Seite 2