Geldpolitik 2016: Verlängerung nach einer turbulenten ersten Halbzeit?
05.07.2016
Carsten Mumm/ Foto: © Donner & Reuschel
Neben der offenen Frage nach der konkreten Umsetzung des Brexit-Votums werden sich die Blicke der Anleger in den kommenden Monaten auch auf andere Ereignisse richten. Sollte sich zum Beispiel ein Sieg für Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen im November andeuten, dürfte kurzfristig einige Verunsicherung entstehen.
Zudem könnte die nach wie vor nicht gelöste Euroland-Staatsschuldenkrise immer wieder für Ungemach sorgen. Und natürlich achten die Börsen weiterhin besonders sensibel auf die geldpolitische Ausrichtung der globalen Notenbanken. Aufgrund der nur moderaten Wachstumsdynamik in den USA ist aus heutiger Sicht nicht mehr als eine weitere Zinsanhebung der US-Notenbank Fed im laufenden Jahr wahrscheinlich. Bei der EZB wird sich gegen Ende des Jahres demgegenüber die Frage stellen, wie mit dem bis März 2017 laufenden Wertpapierkaufprogramm weiter verfahren wird. Sollte die Situation in Europa unsicher bleiben, ist mit einer Verlängerung zu rechnen. Damit ist klar, dass die kurzfristigen Zinsen in Euroland deutlich unter null Prozent verharren werden. Bei längeren Laufzeiten hingegen gilt es, Gefahr eines Zinsanstiegs nicht aus den Augen zu verlieren. Auslöser dafür könnte schon ein leichter Anstieg der Inflations-erwartungen sein, resultierend aus steigenden Rohstoffpreisen, einer weiter anziehenden Kreditvergabe und/oder steigenden Lohnabschlüssen. Grundsätzlich sind daher Aktien nach wie vor die attraktivste Anlageklasse. Die Bewertungen sind im historischen Vergleich nicht besonders günstig, aber weit entfernt von historischen Höchstwerten wie z. B. zu Zeiten der Internetblase Ende der 90er Jahre. Zudem spricht die, global betrachtet, recht robuste konjunkturelle Entwicklung für steigende Unternehmensgewinne. Weitere Unterstützung könnte durch wachstumsfördernde Maßnahmen der EU-Regierungen entstehen. Größere Fragezeichen bestehen einzig bei Unternehmen mit engen Verflechtungen zur britischen Volkswirtschaft. Gold dürfte angesichts der bestehenden Unsicherheiten auch weiterhin gefragt bleiben, zumal zuletzt die charttechnisch und psychologisch wichtige Marke von 1.300 US-Dollar überschritten wurde. Der Kurs des Euro im Vergleich zum US-Dollar ist aufgrund der größeren Unsicherheiten in Europa eher schwächer zu erwarten, wird aber ein Spielball der (geld-) politischen Nachrichtenlage bleiben. Eine weitere Verschiebung der Zinsanhebungen in den USA und die mögliche Andeutung eines Trump-Sieges dürfte den Dollar zeitweise belasten. Aus heutiger Sicht wiegen jedoch die Probleme in Europa schwerer, weshalb die EZB-Geldpolitik weiterhin deutlich expansiver ausgestaltet sein wird, so dass der Zinsvorteil der USA erhalten bleibt. Wie an den Börsen üblich, kann es aber auch ganz anders kommen. Mit Sicherheit werden heute nicht absehbare Ereignisse die Kurse zwischenzeitlich in ungeahnte Richtungen treiben. Daher ist ein aktives Management der Wertpapieranlagen in diesen turbulenten Zeiten unumgänglich, um böse Überraschungen zu vermeiden.
von: Carsten Mumm, Privatbank Donner & Reuschel