FinTechs: Konkurrenz oder Partner?

16.11.2016

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Studie von Roland Berger ergibt: FinTechs sehen sich eher als Ergänzung denn als Konkurrenz zu klassischen Finanzunternehmen. Bedingungen von Gründung solcher Unternehmen sind in Westeuropa am besten.

FinTechs sind weiter auf dem Vormarsch. So wurden 2015 rund 19 Mrd. Dollar in diese neuartige Unternehmensform investiert - ein sattes Plus von fast 60 Prozent gegenüber dem Jahr 2014. Die Investoren hoffen dabei, dass die technologiegetriebenen Startups mit innovativen Produkten den Banken und Versicherungen Marktanteile abnehmen. Eine Studie der Unternehmensberatung Roland Berger, bei der 248 Fintechs aus 18 europäischen Ländern befragt wurden, zeigt allerdings, dass die Unternehmen selbst größtenteils andere Ziele verfolgen als ihre Geldgeber. So gaben 86 Prozent der FinTechs an, das Ziel zu haben, eine Ergänzung und keine Konkurrenz zu den Branchenführern zu sein. Auch glaubte jedes dritte befragte Unternehmen, dass es die klassischen Finanzinstitute nicht ersetzen könne. 78 Prozent der FinTech-Gründer versprechen sich von der Zusammenarbeit mit klassischen Finanzinstituten vor allem einen Zugang zu einer breiten Kundenbasis. Dass die neuen Teilnehmer auf dem Finanzmarkt eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den althergebrachten Marktteilnehmern anstreben, zeigt sich auch daran, dass sowohl Accelerator- (14 Prozent) als auch Inkubatormodelle (9 Prozent) wenig gefragt sind. Die befragten Jungunternehmen fürchten aber auch, dass Banken und Versicherung mit Übernahmen auf die neue Konkurrenz reagieren werden.

"FinTechs schätzen ihre Rolle auf dem Markt realistisch ein: Sie verändern die Finanzindustrie, können aber nicht im Alleingang eine Revolution einläuten", erklärt Martin Krause-Ablass, von Roland Berger. "Für Banken und Versicherungen ergeben sich durch Kooperationen mit FinTechs wiederum Chancen, die eigene digitale Transformation voranzutreiben. Dabei geht es für sie nicht nur um einen technischen, sondern vor allem um einen kulturellen Wandel. Genau aus diesem Grund beginnt Digitalisierung im Kopf - hier kommt es vor allem auf die richtige Mentalität an. Die skizzierten Änderungsprozesse sind schmerzhaft, aber angesichts neuer Wettbewerber unvermeidlich: Neben FinTechs werden mittelfristig auch Schwergewichte aus dem Technologiebereich etablierte Finanzdienstleister unter Druck setzen - dafür müssen sich die Unternehmen wappnen."

Kundenvertrauen: Erfolgsfaktor und Stärke der etablierten Finanzdienstleiter

Als wichtigsten Faktor für den Erfolg in der Finanzbranche erachten 71 Prozent der FinTechs das Vertrauen der Kunden. Und genau in diesem Punkt sehen sie eine Stärke der etablierten Dienstleister. "Die krisenbehafteten Jahre haben ihre Spuren hinterlassen, dennoch bleiben die klassischen Anbieter nach wie vor erste Anlaufstelle für viele Firmen und Privatkunden", kommentiert Wolfgang Hach, Roland Berger. Die FinTechs glauben gleichzeitig aber auch, dass sie bei anderen wichtigen Kriterien wie der Transparenz von Angeboten und dem Komfort des Services der etablierten Konkurrenz überlegen sind.

Zudem glauben mit 91 Prozent fast alle junge Unternehmer, dass sie die Bedürfnisse ihrer Kundschaft sehr gut bedienen können. Hingegen spielen für die FinTechs finanzielle Ressource oder die Bekanntheit ihrer Marken, also Bereiche, in denen Banken und Versicherungen gut aufgestellt sind, keine besondere Rolle. Fast drei Viertel der Befragen gaben zudem an, dass regulatorische Rahmenbedingungen keine große Bedeutung für den Firmenerfolg haben werden, da sich überwiegend in bisher wenig regulierten Bereichen positionieren. Wolfgang Hach warnt die Jungunternehmen allerdings davor, diesen Aspekt auf die leichte Schulter zu nehmen: "Junge Unternehmen sollten regulatorische Aspekte aber auf keinen Fall unterschätzen. Hier sind die traditionellen Anbieter klar im Vorteil," so Hach.

Ihre Chance, sind auf dem Markt zu etablieren, sehen die FinTechs vor allem dadurch, dass sie glauben, die etablierten Finanzunternehmen seinen zu wenig für den digitalen Wandel gerüstet. So gaben nur 15 Prozent der Befragten an zu erkennen, dass die Banken für den digitalen Wandel gerüstet sind. Den Versicherungen wird dies nur zu 14 Prozent zugetraut. Deshalb glauben auch 95 Prozent der FinTechs, dass sie über umfangreichere digitale Kompetenzen verfügen als klassische Dienstleister.

Asset Management, Zahlungsverkehr und Crowdfunding: größtes Potenzial für FinTechs

Das größte Wachstumspotenzial sehen die Studienteilnehmer in den Segmenten Investition und Asset Management (55 Prozent), Zahlungsverkehr (54 Prozent) und Crowdfunding (522 Prozent). Zwei Drittel der Unternehmen rechnen mit einem starken Marktwachstum in ihrem jeweiligen Bereich, wobei Anbieter von Crowdfunding- und Crypto/Blockchain-Lösungen am optimistischsten sind. Dabei konzentrieren sich Jungunternehmer vor allem auf B2B-Angebote. Allerdings sind die Startups auch vermehrt daran interessiert, ihren Service neben Geschäfts- auch Privatkunden zur Verfügung zu stellen. "Europäische FinTechs fokussieren sich überwiegend auf neue Lösungen an einem Punkt der Wertschöpfungskette. Mehrheitlich operieren sie nur in einem Markt, planen aber in den kommenden Jahren in neue Länder zu expandieren", erklärt Martin Krause-Ablass.

Deutschland ist nicht erste Wahl

Als wichtigstes Kriterium für ihre Standortwahl gaben die FinTechs an, dort qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Danach folgen die Aufgeschlossenheit der Regulierungsbehörden sowie starke Netzwerke und Investoren vor Ort. Die besten Bedingungen hierfür sehen die Gründer aktuell in Großbritannien, Irland und Frankreich.

"Starre Regulierung und eine überschaubare Investorenlandschaft verhindern ein besseres Abschneiden von Deutschland im europäischen Vergleich", fasst Wolfgang Hach zusammen. "FinTechs finden hierzulande genügend vielversprechende Talente. Um sie und damit Innovationen zu fördern, sind klare Vorgaben der Regulatoren notwendig. Hilfreich sind zudem die Bereitstellung von Informationen zu rechtlichen Fragestellungen und die Möglichkeit zum persönlichen Austausch." (ah)

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