Familien stützen

21.04.2020

Azizi, Vertriebskoordinator Gesundheit der Gothaer Krankenversicherung AG / Foto: © Gothaer

Rasant steigende Kosten und eine weiter drastisch zunehmende Alterung der Bevölkerung sind die großen Herausforderungen für die soziale Pflegeversicherung. Daran hat auch das PSG II nichts geändert. finanzwelt unterhielt sich zu diesem Thema mit Kabil Azizi, Vertriebskoordinator Gesundheit der Gothaer Krankenversicherung AG.

finanzwelt: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will im ersten Halbjahr des kommenden Jahres einen Vorschlag für eine Finanzreform in der Pflegeversicherung vorlegen. Was würden Sie ihm raten?

Kabil Azizi: Die Einführung der Pflegeversicherung 1995 war ein bedeutsamer Schritt in die richtige Richtung. Man muss bedenken, dass es davor keinerlei Absicherung des Pflegefalls gab. Die Pflegeversicherung wurde immer weiterentwickelt, nur deckt sie nach wie vor bei weitem nicht alle Bedürfnisse und Kosten ab, so dass hier immer noch ein erheblicher Nachholbedarf besteht. Betrachtet man die demografische Entwicklung, ist eine Anpassung der Pflegeversicherung akut. Im Jahr 2050 wird sich die Zahl der über 80-jährigen verdreifacht haben. Parallel dazu steigt die Zahl der Pflegebedürftigen auch dadurch, dass die Menschen immer älter werden. Allein das impliziert schon eine Anpassung der Gesetzgebung. Ziel sollte sein, dass zumindest die Basisbedürfnisse durch die staatliche Versicherung abgedeckt werden.

finanzwelt: Wie könnten Familien gefördert werden?

Azizi: Die Pflege im Kreis der Familie wird immer beliebter. Viele Menschen unterschätzen allerdings den Aufwand, der so Zuhause entstehen kann. Zu den finanziellen Verlusten und gleichzeitig erhöhten Aufwendungen kommen die oft körperlich und psychisch anstrengenden Maßnahmen dazu. Familienmitglieder sind keine Pflegeprofis, sie investieren oft viel Zeit und Mühe in die Pflege ihrer Angehörigen. Hier müssen ein entsprechender Ausgleich und eine Unterstützung durch die Pflegeversicherung gesichert sein. Eventuelle Lohnausfälle und Mehrkosten im Haushalt durch die Betreuung einer pflegebedürftigen Person sollten durch die Versicherung zum Großteil kompensiert werden. Zusätzlich sind Ausbildungsmaßnahmen für helfende Familienangehörige dringend angeraten, um den zusätzlichen Stress durch die Pflege zu minimieren.

finanzwelt: Sollte die Umlagefinanzierung in der sozialen Pflegeversicherung verstärkt durch kapitalgedeckte Elemente ergänzt werden?

Azizi: Die Umlagefinanzierung kann nur Grundbedürfnisse abdecken, zudem leidet sie genauso unter der demografischen Entwicklung wie andere umlagefinanzierte Sozialsysteme auch. Durch die oben beschriebene demografische Entwicklung kommt eine Welle von Pflegebedürftigen auf unser Land zu, deren Kosten durch immer weniger junge, Geld verdienende Menschen getragen werden müssen. Entweder springt hier der Steuerzahler immer mehr in die Bresche oder man setzt auf zusätzliche kapitalgedeckte Elemente in der Pflegeversicherung, worauf eigentlich gar nicht mehr verzichtet werden kann.

Wie sich das PSG II auf die Produkgestaltung und die Beratung auswirkt, lesen Sie auf Seite 2