Erntezeit für Dividen-Junkies

15.05.2019

Andreas Kern, Gründer und CEO der wikifolio Financial Technologies AG / Foto: © Martina Draper

Für die zahlreichen Dividendensammler am deutschen Aktienmarkt läuft gerade die heißeste Phase des Jahres. Im Monat Mai schütten allein die im DAX gelisteten Unternehmen über 28 Milliarden Euro an ihre Aktionäre aus. Das ist fast die Hälfte der knapp 57 Milliarden Euro, die in diesem Jahr laut Schätzungen von allen hierzulande börsennotierten Firmen an Dividende gezahlt werden. Trotz der Probleme vieler Unternehmen bedeutet das erneut einen Anstieg von fast sieben Prozent. Im Schnitt kommen die gut 100 bedeutendsten Aktien in Deutschland aktuell auf eine Dividendenrendite von rund drei Prozent. Bei einzelnen Werten liegt diese Kennzahl sogar dreimal so hoch. Gerade im aktuellen Niedrigzinsumfeld ist das für viele Anleger äußerst verlockend.

Kontinuität und Deckungsgrad als Zusatzkriterium

Erfahrene Marktteilnehmer wissen allerdings, dass die Höhe der Dividende bei der Suche nach attraktiven Investments niemals isoliert betrachtet werden sollte. Eine weit überdurchschnittlich hohe Dividendenrendite kann auch dadurch entstehen, dass der Aktienkurs über einen längeren Zeitraum deutlich an Wert verloren hat. Und das spricht nicht gerade für die Qualität einer Aktie bzw. kann als Warnsignal dienen, dass die entsprechenden Unternehmen mit größeren Problemen zu kämpfen haben. Anlageprofis achten deshalb zum Beispiel auch darauf, dass die Ausschüttungen über einen längeren Zeitraum hinweg stabil gehalten oder besser noch erhöht werden und dass der Dividendensumme ausreichend hohe Gewinne gegenüberstehen. Für wikifolio-Trader Holger Degener zum Beispiel ist zwar die Höhe der Rendite tatsächlich das wichtigste Merkmal. Gleichzeitig achtet er aber auch darauf, ob die Dividende voraussichtlich auch im Folgejahr „mindestens gehalten“ werden kann. Wichtig sind aus seiner Sicht zudem eine saubere Bilanz ohne hohe Verschuldung, möglichst steigende Gewinne in der Zukunft, eine tendenziell niedrige Bewertung sowie ein Chart, „der Kurspotenzial andeutet“.

Die Suche nach dem „fairen Wert“

Sein Trader-Kollege Philipp Haas hat als Auswahlkriterium unter anderem das langfristige Momentum der Aktien im Fokus, wodurch stetig an Wert verlierende Aktien automatisch unter den Tisch fallen. Eine hohe Ausschüttung ist für ihn eher zweitrangig, wobei er schon darauf achtet, dass die Unternehmen überhaupt eine Dividende zahlen oder zumindest ein Aktienrückkaufprogramm laufen haben. Bei seiner Suche nach qualitativ guten und aussichtsreichen Aktien verfährt er nach dem Motto „Dividenden sind ein positiver Aspekt bei einem Investment, es sollte aber nie der Einzige sein“. Aus diesem Grund hat er ein eigenes Bewertungsmodell erarbeitet, an dessen Ende ein sogenanntes „faires KGV“ steht. Das wird anhand von insgesamt 16 Kriterien ermittelt, worunter auch das Dividendenwachstum sowie die Kontinuität der Ausschüttungen fallen. Mit Hilfe dieses Ansatzes will er „fundamental interessante“ Unternehmen finden und zugreifen, falls deren Aktien an der Börse gerade deutlich unter seinem berechneten fairen Wert notieren.

Dividenden bieten keinen Schutz vor Kursverlusten

Einig sind sich die beiden Trader, dass eine hohe Dividende bezogen auf die Aktienkursentwicklung keine Stabilitäts-Garantie liefert. „Man darf eine Dividende nicht mit den Zinsen auf einem Sparbuch gleichsetzten, da sie ausgesetzt werden kann und sich auch eine Aktie mit bereits hoher Dividende halbieren kann“, erklärt Haas. Trotzdem ist er der Meinung, dass die Dividende zumindest bei guten, nachhaltigen Unternehmen einen gewissen Schutz nach unten bietet und sich so Kursverluste auch emotional besser verkraften lassen. Degener ergänzt, dass eine Konzentration auf dividendenstarke Aktien „mit ein bisschen Diversifikation“ eher vor starken Kursrückgängen schützt als ein Depot aus „hochbewerteten Wachstumsaktien, bei denen die Gewinne enttäuschen“. Solche Werte bieten dafür in der Regel größere Kurschancen, wenn es an den Börsen nach oben geht. Unter dem Strich könnte daher wohl ein Mix aus beiden Ansätzen eine ganz charmante Lösung für Investoren sein.

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Holger Degener aka Schneeleopard: https://www.wikifolio.com/de/de/w/wf20122012 Philipp Haase aka investresearch: https://www.wikifolio.com/de/de/w/wfnebenweu

Kolumne von Andreas Kern, Gründer und CEO der wikifolio Financial Technologies AG