Emerging Markets: Neue Spielregeln

10.01.2017

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Einige langfristige Konsequenzen für den Markt lassen sich bereits absehen, die sich auf zwei gegenläufige Effekte stützen: Mit den neuen Klauseln ist eine Umschuldung im Fall einer Staatspleite leichter zu bewältigen, weil die klareren Entscheidungsabläufe zu schnelleren Abwicklungen führen und einen höheren Druck zugunsten von Kompromissen und Vergleichen erzeugen. Das müsste letztlich beiden Seite zugute kommen. Diesem positiven Abwicklungs- steht ein negativer Anreizeffekt gegenüber: Weil die Entschuldung durch eine Staatspleite „billiger“ wird, steigt die Bereitschaft, im Falle einer nationalen Banken- oder einer Zahlungsbilanzkrise die Reißleine zu ziehen und den Ausfall der Anleihen zu erklären. Fachleute reden hier von „moral hazard“.

Der Nettoeffekt dieser beiden Faktoren fällt sowohl nach den eher theoretischen Erwägungen wie auch ersten statistischen Auswertungen auf den Bonitätsstufen unterschiedlich aus. Bei hohen Bonitäten ist der langfristig wirksame Verlust durch eine Pleite so groß, dass der Anreizeffekt sehr schwach ist. Es lohnt sich einfach nicht. Zudem darf man bei hoher Bonität ja auch von vorn herein ein geringes Risiko annehmen. Daher ist kein nennenswerter Effekt auf Prämien und Renditen erkennbar in diesem Segment.

Auf den unteren Stufen (spätestens ab etwa Ba/BB oder B) neutralisieren sich der positive Abwicklungseffekt und der negative Anreizeffekt gegenseitig, so dass auch hier kaum Bewegung erkennbar wird.

Bei den mittleren Bonitätsstufen in der Nähe des unteren Rands der Investmentqualität (Baa/BBB) ergeben sich klar positive Effekte: Hier bleiben konkrete Risiken als Krisenauslöser, die die verbesserte Abwicklung zu einem beachtlichen Vorteil machen. Der Anreizeffekt ist dagegen eher schwach für diese Länder, weil sie durch eine formelle Pleite zu viel zu verlieren hätten. Hier tummeln sich die erfolgreicheren Emerging Markets und haben in aller Regel sowohl politisch wie wirtschaftlich viel in den eigenen Aufstieg investiert. Das wäre mit einer Staatspleite zunächst verloren. Die Reputation und die Stellung am Markt müsste über Jahre neu aufgebaut werden.

Grundsätzlich werden die Anleihe-Investoren zukünftig stärker an den Risiken der Länder beteiligt, in die sie investieren. Sie erhalten im Gegenzug aber auch zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten bei der Bewältigung von Problemen. Wichtigste Nutznießer der Neuregelung sind die Emerging Markets im engeren Sinne, also am unteren Rand des Investmentgrade. (mk)