Eine Aufgabe des Vertriebs
15.08.2018
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Es ist schwer nachzuvollziehen: Die Absicherung gegen das biometrische Risiko Berufsunfähigkeit wird bundesweit als besonders wichtig eingeschätzt – doch Konsequenzen werden nicht daraus gezogen. Gerade junge Menschen, die eigentlich besonders betroffen sind, zeigen sich wenig aktiv, wenn es um die tatsächliche Risikoabsicherung geht. Nicht alle Versicherer bieten überzeugende Rezepte.
Die BU-Versicherung zählt zu den wichtigsten Versicherungen, doch ihr Verbreitungsgrad lässt nach wie vor zu wünschen übrig. Laut YouGov zählt fast jeder fünfte Deutsche (18 %) BU-Policen oder eine entsprechende Zusatzversicherung (BUZ) zu den wichtigsten drei Versicherungen. Damit liegt die BU-Absicherung gleichauf mit der privaten Haftpflichtversicherung (51 %) und noch vor der Kfz- (41 %) und Hausratsversicherung (31 %). Dennoch besitzt aktuell lediglich jeder Sechste eine BU. Damit stagniert der Anteil auf dem Niveau von 2015, obwohl durchaus ein Risikobewusstsein vorhanden ist: 19 % der Befragten stufen die persönliche Gefahr einer Berufsunfähigkeit auf einer elfstufigen Skala als sehr hoch oder sehr wichtig ein.
Samuel Koch:
»So, Schalter umlegen, jetzt geht‘s wieder vorwärts! So funktioniert das leider nicht.«
Eine Absicherung gegen die finanziellen Folgen wird bspw. von einem Drittel der Bevölkerung (34 %) als sehr wichtig eingestuft. Dies sind Ergebnisse der Studie „Strategiefeld Berufsunfähigkeitsversicherung 2018“ der internationalen Data and Analytics Group YouGov, für die zwischen dem 16.05. und 01.06.2018 insgesamt 1.948 Personen befragt wurden. Die Stichprobe setzt sich aus einer bevölkerungsrepräsentativen Stichprobe und einer Zusatzstichprobe für die Zielgruppen der Personen bis 32 Jahre, die keine BU besitzen, sowie Eltern von 16-32-Jährigen zusammen. Die junge Zielgruppe der unter 33-Jährigen ohne BU- oder BU-Zusatzversicherung nimmt danach im Vergleich zur Gesamtbevölkerung die Risiken eines möglichen Arbeitsausfalls deutlich geringer wahr. Zudem besteht unter den Jüngeren die Annahme, bei einem längeren beruflichen Ausfall ausreichend durch die Familie abgesichert zu sein. Dieser Ansicht sind 69 % von ihnen. Ebenfalls sind zwei Fünftel überzeugt, dass der Staat sie im Falle einer Berufsunfähigkeit finanziell auffängt oder unterstützt. Trotz der geringeren Risikowahrnehmung und der Annahme, von Familie und Staat unterstützt zu werden, empfindet die junge Zielgruppe unter 33 Jahren die finanzielle Absicherung gegen die Folgen einer möglichen BU als ebenso wichtig wie der Rest der Bevölkerung. Ein knappes Drittel (29 %) gibt an, mindestens wahrscheinlich im kommenden Jahr eine BU oder eine entsprechende Zusatzversicherung abschließen zu wollen. Einer der Gründe, warum das bisher noch nicht geschehen ist, ist häufig, dass man sich schlichtweg noch nicht mit dem Thema beschäftigt hat. Das legt die Vermutung nahe, dass die BU-Versicherung ein Verdrängungsthema in der jungen Zielgruppe darstellt. Dies zu ändern, ist Aufgabe des Vertriebes. Sache der Versicherer ist es, Leistungsversprechen und Leistungswirklichkeit auf einen Nenner zu bringen. Immer wieder kommt in der Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang Kritik an den BU-Anbietern auf. Ein Punkt, den der eng mit dem Thema vertraute Experte Stephan Kaiser, Geschäftsführender Gesellschafter der BU-Expertenservice GmbH, derart pauschal nicht gelten lassen will: „Es gibt Versicherer, die geben sich mehr Mühe als andere. Eine Aussage, die man immer wieder hört, nämlich dass Versicherer sowieso nicht zahlen würden, ist jedenfalls absolut falsch.“ Es gebe einige Versicherer, die ihre Pflichten durchaus ernst nähmen. Dafür, dass ein BU-Leistungsfall in der Regel ziemlich komplex sei, funktioniert das System verhältnismäßig gut. Probleme bereiteten seiner Erfahrung nach immer die gleichen Häuser.
Samuel Koch:
»Das Leben an sich ist riskant.«
Auch Christian Schwalb, ausgewiesener Marktkenner und Geschäftsführender Gesellschafter der SCALA & Cie. Holding, zeichnet ein differenziertes Bild: „Aus unserem Marktblick gewinnen wir den Eindruck, dass Versicherer auf breiter Basis eine durchwegs nachvollziehbare Leistungsbearbeitung an den Tag legen. Der starke Bedingungswettbewerb der vergangenen Jahre hat ein fast durchgängig hohes Niveau an Vertragsgrundlagen geschaffen, was sich in den veröffentlichten Leistungszusagen (ca. 75 %) positiv niederschlägt.“ Positiv fielen ihm die Versicherer auf, die den konstruktiven Dialog nicht scheuten und Entscheidung auch offen diskutierten. Schwalb schränkt aber ein: „Wir wollen jedoch nicht verschweigen, dass es leider einige wenige Versicherer gibt, die diesem Standard nicht gerecht werden.“ Zu einem etwas anderen Ergebnis kommt das Beratungsunternehmen Premium Circle Deutschland GmbH. Neue Umfrageergebnisse zum Leistungsverhalten der BU-Versicherer zeigten, dass die Bereitschaft zur Transparenz bei einem Großteil der Unternehmen deutlich abnehme. Allerdings seien seit der letzten Erhebung Verbesserungen erkennbar. Dennoch bestehe zwischen den Unternehmen unverändert eine erhebliche Varianz im Leistungsverhalten. Wie lange sich die Bearbeitung im Leistungsfall hinziehe, ob gezahlt werde und wie lange, das gleiche für Versicherte und Vermittler oftmals einem Würfelspiel. Das tatsächliche Leistungsverhalten der Versicherer unterscheide sich aufgrund der Fülle unbestimmter Begriffe und unverbindlicher Formulierungen in den Vertragswerken so stark, dass Claus-Dieter Gorr, Geschäftsführer der finanzwelt extra 04/2018 PremiumCircle Deutschland GmbH, nachvollziehbare verbindliche Leitplanken für die Leistungsregulierung fordert. Er fürchtet, dass ohne verbindliche Leitplanken in den Vertragsbedingungen keine Chance besteht, die unterdurchschnittliche Absicherungsquote von 25 % weiter zu steigern. Allerdings ist die Datengrundlage des Unternehmens nur eingeschränkt aussagekräftig. Die PremiumCircle Deutschland GmbH hatte im Rahmen ihrer im Herbst 2016 initiierten Qualitäts- und Transparenzinitiative (QTI) zur BU-Versicherung (Leistungsdaten 2014) am 01.02.2018 an 61 BU-Versicherer einen Erhebungsbogen mit jeweils 111 Fragen für die Jahre 2015 und 2016 zum tatsächlichen unternehmensindividuellen Leistungsverhalten versandt. Insgesamt haben nur sieben Versicherer mit einem Gesamtmarktanteil von ca. 13 % detailliert geantwortet, zehn Unternehmen hatten keine relevanten Daten, 19 haben aus internen Gründen abgelehnt und 25 überhaupt nicht reagiert. Die wichtigsten Ergebnisse der Auswertungsjahre 2015 und 2016 zeigen sich im Leistungsverhalten bei den teilnehmenden Versicherern.
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