Die Qual der Wahl: Trump oder Clinton
12.10.2016
Dr. Thomas Heidel, Leitung Research Fidal AG /Foto: © Fidal AG
Am 8. November stehen in den USA die 58. Präsidentschaftswahlen an. Es ist an der Zeit, sich auch als Anleger darüber Gedanken zu machen, welche Konsequenzen der Wahlausgang für die Wirtschaftsentwicklung und den Aktienmarkt in den USA haben wird.
Ginge es nach den Aktienmärkten, so ist die Antwort kurzfristig relativ klar: Die Demokratin Hillary steht für Kontinuität und die Investoren sehen Trump’s angekündigte Reformen kritisch. Trump wird mit politischer Unsicherheit und Instabilität verbunden, während Hillary Clinton, die, obwohl Demokratin, als Lobbyistin der Wall Street gilt, positive Aufnahme bei vielen Marktteilnehmern findet.
Die Börse drückt daher der erfahrenen Politikerin Clinton die Daumen. Die Börsengeschichte zeigt, dass ein Präsidentschaftsgewinn der amtsführenden Partei meist mit einem positiven Aktienmarktverlauf verbunden ist. Eine Studie der MFS Investment Management aus Boston, die die Wahljahre im Zeitraum von 1900 bis 2012 berücksichtigt, zeigt auf, dass in dem Wahljahr, in dem die amtsführende Partei – unabhängig ob Demokraten oder Republikaner – den nächsten US-Präsidenten stellte, der Dow-Jones-Index im Schnitt 14,6 Prozent anstieg. Verlor die amtsführende Partei, gab auch der Dow Jones Index um minus 4,4 Prozent nach.
Wenn Trump die Wahl gewinnt, könnte dies zu einer Verkaufswelle an den Aktienbörsen führen. Citigroup schätzt einen Kursrückgang von fünf Prozent. Der Wert des US-Dollars würde sich verringern und der Goldpreis steigen. Anleger sollten aber ihr mittel- oder langfristiges Engagement am US-Aktienmarkt nicht vom Ausgang der US-Präsidentschaftswahl abhängig machen, da die Aktienperformance über längere Zeiträume weitgehend durch übergeordnete demografische, technologische und konjunkturelle Trends bestimmt wird, die nur mittelbar im Einflussbereich eines Präsidenten liegen.
Aufgrund einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup haben die US-Amerikaner von beiden Präsidentschaftskandidaten keine besonders hohe Meinung. Nur gut ein Drittel der US-Bürger halten Clinton und Trump für ehrenhaft und vertrauenswürdig und nur 41 Prozent glauben, dass beide die Änderungen einführen können, die die USA brauchen.
Die Bespoke Investmentgruppe ermittelt in einer monatlichen Umfrage bei ca. 1.500 US-Verbrauchern Eigenschaften, mit denen beide Kandidaten in einem Wort beschrieben werden können. Das am meisten benutzte Wort bei Trump ist „Idiot“ (fünf Prozent) und bei Clinton „Liar/Lügnerin“ (15 Prozent). Die US-Konsumenten verwendeten bei der Charakterisierung der US- Präsidentschaftskandidaten vorwiegend negative Merkmale.
Gayle Tufts, eine in Deutschland lebende US-Entertainerin, beschreibt Trump als Wutbürger und eine Mischung aus Dieter Bohlen, Dagobert Duck und einem Pegida-Anhänger.
Der Politikwissenschaftler Tom Smith von der University of Chicago sieht zwar immer noch die Möglichkeit einer überraschenden Wendung im Oktober, aber ohne einen politischen Skandal, zum Beispiel neuen Enthüllungen über Spenden an Clinton’s Stiftung, glaubt er nicht an eine Möglichkeit für Trump aufzuholen. Nach den aktuellen Umfrageergebnissen einer Reuters-/Ipsos-Studie, die sich auf Daten des Projekts „States of the Nation“ und einer wöchentlichen Online-Befragung von etwa 16.000 Menschen stützt, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass Hillary Clinton das erste weibliche US-Staatsoberhaupt wird, bei 88 Prozent. Der Durchschnitt der aktuellen Wahlumfrageergebnisse liegt momentan bei einem fast dreiprozentigen Vorsprung von Clinton (47,9 Prozent) vor Trump (44,8 Prozent).
Doch eine wichtige Frage bleibt bei aller Wahlkampfpolemik: Was bleibt in Wirklichkeit von den Wahlprogrammen übrig, wenn der/die gewählte 45. US-Präsident/in reale Politik betreiben muss? Tendenziell müssen alle Versprechen der Realität angepasst werden. Der US-Präsident ist in der Regel auf die Unterstützung des Kongresses angewiesen. Besonders bei fiskalpolitischen Fragen kann es zu Konflikten bei der Haushaltsfinanzierung kommen (Government Shutdown/ Stilllegung der Verwaltungstätigkeit). Für Donald Trump wird als politischer Quereinsteiger allein die Besetzung wichtiger Schlüsselpositionen in Regierung und Verwaltung enorme Probleme aufwerfen, da nicht genügend Kandidaten seine Ansichten teilen.
Einiges am US-Wahlkampf erinnert an das britische Referendum zum Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Gemeinschaft. Auch hier wurden die britischen Wähler mehr auf Emotionen statt auf Verstand angesprochen. Rückbesinnung auf ehemalige (vermeintliche) Stärken des Britischen Empire und Angst vor Zuwanderung und der freien Mobilität des Faktors Arbeit bzw. Abschottungsgedanken brachten den Brexit-Anhängern bei der älteren britischen Bevölkerung und der Arbeiterschaft den Wahlerfolg.
Trump wendet sich prinzipiell an die gleiche Zielgruppe mit den gleichen Zielvorstellungen (Mauerbau zwischen den USA und Mexiko, Erhalt der heimischen Arbeitsplätze). Die britischen Buchmacher wie auch die Märkte haben bis zuletzt nicht an einen Brexit geglaubt. Wird auch in den USA das Gefühl vor die Vernunft gestellt werden und das Unerwartete, Unerwünschte eintreten?
Kolumne von Dr. Thomas Heidel, Leitung Research FIDAL AG