Der Kampf um die Währungshoheit
29.07.2021
Prof. Dr. Thorsten Polleit, Chefvolkswirt der Degussa Goldhandel / Foto: © Degussa Goldhandel
Dass das bestehende weltweite Fiat -Geldsystem zusehends in schwieriges Fahrwasser gerät, ist unübersehbar . Wohin es treibt , ist aber unklar . Eine besorgniserregende Entwicklung wäre das Entstehen eines einheitlichen Weltgeldes; ein Hoffnungsschimmer wäre ein freier Markt für Geld.
Warum Geld so wichtig ist
Für eine moderne, leistungsfähige Volkswirtschaft ist Geld – das allgemein akzeptierte Tauschmittel – zu unverzichtbar. Geld erleichtert das Tauschen, befördert dadurch die friedvolle und produktive Arbeitsteilung und hebt den Wohlstand der Menschen. Der entscheidende Grund dafür ist: Mit Geld lässt sich eine Wirtschaftsrechnung durchführen. Indem die Menschen Geld als Rechnungseinheit, als allgemeine Bezugsgröße („Numeraire“), verwenden, lässt sich die Rentabilität auch der komplexesten und aufwendigsten Produktionswege ermitteln und miteinander vergleichen. Das wiederum erlaubt den Marktakteuren, rationale Entscheidungen zu treffen, also was wann wo und wie und in welcher Menge zu produzieren und zu konsumieren ist.
Die produktive Wirkung des Geldes wird bestmöglich ausgeschöpft, wenn alle an der Arbeitsteilung teilnehmenden Menschen das gleiche Geld verwenden, also mit dem gleichen Geld ihre Wirtschaftsrechnung betreiben, national wie international. So gesehen wäre ein Geld auf der Welt optimal. Diese ökonomische Einsicht war übrigens im letzten Viertel des 19. Jahrhundert Wirklichkeit: Alle wirtschaftlich bedeutenden Volkswirtschaften verwendeten Gold als Geld. Gold war quasi unausgesprochen das Weltgeld. Es vernetzte alle Volkswirtschaften auf das Engste miteinander, die internationale Arbeitsteilung wurde zum Nutzen aller Beteiligten vertieft. Doch leider: Den Repräsentanten der Staaten, die bekanntlich nach politischer Macht streben, war das Goldgeld ein Dorn im Auge.
Eine beunruhigende Aussicht
Die Alternative ist, zur „währungshistorischen Normalität“ zurückzukehren und einen freien Markt für Geld zuzulassen, den Menschen also die Freiheit zurückzugeben, ihr Geld selbst auswählen zu können. Die Geldnachfrager wären es dann, die entscheiden, welches Gut sie als Geld verwenden wollen: beispielsweise Gold, Silber oder Kryptoeinheiten. Um einen freien Markt für Geld zu ermöglichen, sind sämtliche Steuern (Mehrwerts- und Kapitalertragssteuer), die auf die möglichen „Geldkandidaten“ erhoben werden, sowie auch Restriktionen, die grenzüberschreitenden Transaktionen entgegenstehen, abzuschaffen. In einem freien Markt werden die Menschen „gutes Geld“ nachfragen (sie werden nicht schlechtes Geld nachfragen, genauso wie sie gute Turnschuhe und nicht schlechte nachfragen), und gutes Geld wird sich durchsetzen.
Ganz in diesem Sinne lässt sich das Aufkommen der Kryptoeinheiten interpretieren: Bitcoin & Co sind in einem (relativ) freien Markt, ohne staatlichen Eingriff, entstanden, und sie konkurrieren mit den staatlichen Fiat-Währungen um die Geldfunktion. Auch sind mittlerweile Anbieter für digitalisierte Wertaufbewahrungs- und Zahlungssysteme für Gold- und Silbergeld entstanden. So gesehen lässt sich sagen: Ein freier Markt für Geld ist nur möglich, er ist im wahrsten Sinne des Wortes „natürlich“. Der Kampf um die Währungshoheit im digitalen Zeitalter ist in vollem Gange. Noch haben zwar die staatlichen Währungen die Nase vorn, vor allem weil die „Macht der menschlichen Gewohnheit“ dem Staatsgeld in die Hände spielt, aber auch weil die Staaten ihren Währungen, steuerliche und regulative Vorteile gewähren, mit denen konkurrierenden Geldarten das Leben bewusst schwer gemacht wird. Doch der Kampf ist noch nicht entschieden.
Wenn Wohlstand und Frieden auf der Welt befördert werden sollen, dann ist die Abkehr vom staatlichen Geldmonopol unausweichlich, gerade auch vor dem Hintergrund der Drohkulisse einer möglichen Welteinheitswährung. Diese Schlussfolgerungen entspringen Erkenntnissen, die die ökonomische Theorie bereithält. Sie wird derzeit leider kaum gehört, wird übertönt von Lehren, die das staatliche Geldmonopol als gut und richtig anpreisen, und die die Idee des freien Marktes für Geld ignorieren oder diskreditieren. Die Idee eines freien Marktes für Geld lässt sich aber nicht aus der Welt schaffen, wie das Entstehen der Märkte für Kryptoeinheiten nur zu deutlich zeigt, und wie auch die seit Jahrtausend unverrückbare Stellung des Goldes als „Grundgeld der Menschheit“ kundtut. Kurzum: Es gibt überzeugende volkswirtschaftliche Gründe, die Suche nach besserem Geld, einen freien Markt für Geld zuzulassen. Denn letztlich geht es bei der Gestaltung des Geldes um eines: das friedvolle und produktive Zusammenleben der Menschen, national wie international, zu befördern.
Gastbeitrag von Dr. Thorsten Polleit, Chefvolkswirt Degussa Goldhandel