Ankern, Priming, Behalt-Effekt, Geschenke

14.06.2021

Wolfgang Thust, Vertriebs- und Rhetoriktrainer, Keynote-Speaker und Buchautor

Beim nächsten Versuch erzähle ich einer anderen Testperson so ganz ohne Vorrede, dass ich gerade eine App entdeckt habe für besonders preiswerte Neuwagen (meinauto.de) und dass ich dort ein Auto entdeckt habe, einen Ford Fiesta, für, je nach Ausstattung, zwischen 14 und 17.000 Euro. Und das ist noch nicht mal der preiswerteste Wagen. Es gibt dort noch einen Renault Twingo für um die 12.000 Euro und sogar einen Dacia für um die 10.000 Euro. Mir war gar nicht bewusst, dass es derart preisgünstige Neuwagen gibt. Auch jetzt spreche ich mit der Testperson über einige belanglose Dinge, ein kleiner Smalltalk und frage ihn dann, was er glaubt, wie hoch der Durchschnitt der Neuwagen in Deutschland ist. Seine Antwort: Ich schätze so ungefähr 30 bis 35.000 Euro.

Diese Befragungen wurden mit Testpersonen durchgeführt, die aus unterschiedlichen Berufen und Einkommensbereichen kamen. Sie wurden allerdings entweder mit hochpreisigen Neuwagenpreisen oder mit besonders preisgünstigen „geankert“. Sie werden jetzt schon die richtigen Ergebnisse erwarten. Die vorher hochpreisig geankerten Testpersonen nannten regelmäßig deutlich höhere Beträge als die mit kleineren Beträgen geankerten, überwiegend sogar doppelt so hohe Beträge. Wir können mit bestimmten Zahlen, die wir im Gehirn unseres Gegenübers verankern, seine Schätzungen erheblich beeinflussen, das heißt, wir manipulieren ihn mit unseren Ankern.

Exakt die gleichen Ergebnisse erzielen wir, wenn wir zum Beispiel Altersversorgungsprodukte verkaufen. Wenn wir vorher entsprechend hohe Zahlen ankern, erreichen wir immer deutlich höhere Abschlüsse als ohne diese vorherigen Ankerungen. Diese vorher formulierten Zahlen müssen noch nicht einmal mit dem später angebotenen Produkt im direkten Zusammenhang stehen. Wenn wir am Anfang entsprechend hohe Zahlen ankern, werden wir nahezu immer höhere Preise erzielen oder größere Mengen verkaufen. Es gibt kaum Menschen, die sich dieser Beeinflussung entziehen können, wenn wir sie vorher mit entsprechenden Zahlen geankert haben.

Ich habe bereits am Anfang auf die moralisch/ethischen Aspekte des Manipulierens oder Beeinflussens verwiesen, ob wir sie anwenden oder nur kennen wollen, liegt in der Entscheidung jedes Einzelnen. Wir werden in unserer heutigen Welt regelmäßig beeinflusst. In jedem Supermarkt werden wir auf bestimmten Wegen durch die Angebote geführt, die Anordnung der Waren in den Regalen, die Farben, die Musik, die Gerüche und vieles andere beeinflusst uns ständig.

Die weiteren Beeinflussungstechniken (Priming, Behalt-Effekt, Geschenke) werde ich in meiner Kolumne in der nächsten Ausgabe der finanzwelt ausführlich vorstellen.

Wolfgang Thust, Vertriebs- und Rhetoriktrainer, Keynote-Speaker und Buchautor

Zur Person Wolfgang Thust, Jahrgang 1946, ist Vertriebs- und Rhetoriktrainer, Keynote-Speaker, Buchautor sowie Gründer der Stiftung Helping Hand – wir helfen Kindern in Not. Nach seiner Karriere als Architekt in Frankfurt beginnt er 1975 seine Laufbahn in der HMI, dem Strukturvertrieb der Hamburg-Mannheimer. Innerhalb von nur fünf Jahren wird er HMI-Generalrepräsentant und erhält damit die allerhöchste Auszeichnung der Organisation. 2012, nach über 36 Jahren, verlässt er das Unternehmen, das inzwischen ERGO Pro heißt. Heute teilt er sein Wissen in eigens entwickelten Schulungen und Seminaren.