Marke, Pflicht und Kür im digitalen Zeitalter

12.02.2015

Der Megatrend zur Digitalisierung erfordert eine Stärkung der Eigenmarke um in der Informationsflut noch wahrgenommen zu werden. Die Fülle an Pflichten blockiert aber die Kreativität der Assekuranz.

2015-02-13 (fw/db) Die Assekuranz sieht sich vor allem in die Pflicht genommen, da bleibt auf dem dünnen Eis des Zeitdrucks wenig Zeit für eigene Innovationen als Kür. Die Assekuranz diskutiert diese vertriebliche Herausforderungen zum Jahresbeginn 2015. Die Plattform hierfür bot das AMC-Forum in Form des Auftaktgesprächs für Vorstände und Entscheidungsträger der Assekuranz.

Das Auftaktgespräch ist eine hochkarätige Veranstaltung des AMC-Netzwerks, was Referenten und Teilnehmer betrifft, und es war, laut AMC, zugleich die bestbesuchte dieser Art. Unter der fachlichen Leitung und Moderation von Prof. Dr. Heinrich R. Schradin, Universität zu Köln, wurde die Zeit intensiv für Gespräch im Sinne fachlichen Austauschs genutzt. Die aktuelle Situation, ihre Treiber sowie die Chancen und Risiken der Assekuranz wurden von Vorständen und Entscheidungsträgern der Branche diskutiert.

„Viel Pflicht - wenig Kür“- so lasse sich heute das Aufgabenpaket der Versicherer umschreiben. Als wenn es sonst keine Herausforderungen gäbe, Politiker in Berlin und Brüssel, Verbraucherschützer und die Rechtsprechung wirbeln kräftig. Für die Versicherer bleibt es stürmisch, und es kommt kaum zu Rückenwind.

Regulation und Transparenz sind die Treiber

Zu den Themen Regulation und Transparenz diskutierte eine Expertenrunde mit Prof. Karel Van Hulle, vormals Leiter des Referats „Versicherungen und Altersversorgung“ bei der Europäischen Kommission sowie Prof. Dr. Jens Gal vom House of Finance der Goethe Universität Frankfurt. Aufgrund des Lebensversicherungs-Reformgesetzes (LVRG), aber auch wegen neuer Anforderungen des Gesetzgebers aus IMD2 und IDD, PRIPS und PRIIPS, MiFID2 und einigem mehr, stelle sich die Frage, wie Versicherungsunternehmen mit diesen Anforderungen umgehen sollen und müssen.

Gibt es Chancen zu agieren statt nur reagieren zu können? Die Experten wünschen sich, dass der Gesetzgeber die Vorgaben sowohl mit besserem zeitlichem Vorlauf als auch überschaubarer gestaltet. Gesetzliches Nachjustieren, Einfügen von Zwischenschritten und Terminunsicherheiten machen es zunehmend weder den Versicherern, noch den Vermittlungsunternehmern und deren Kunden einfacher.

Digitalisierung ist mehr als ein Trend

In das Thema Digitalisierung der Branche sprach Dr. Matthias Bühring-Uhle, Vorstandsmitglied der Gothaer Versicherungen. Er stellte Verständnis und Bedeutung der Digitalisierung am Beispiel seines Hauses vor. Während sich Digitalisierung bisher eher auf Rationalisierung und die Möglichkeiten zur Kosteneinsparung beschränkte, zielt die heutige Stufe der Digitalisierung verstärkt auf die Möglichkeit Neugeschäft zu generieren und künftige Kunden anzusprechen.

„Pointiert könnte man sagen, Versicherungen haben bald kein Geschäftsmodell mehr, wenn sie kein Geschäftsmodell für das Smartphone haben“, sagt Experte Bühring-Uhle.

Darstellung von Nutzen und Mehrwert stärkt die Marke

Wenn das regulatorische Umfeld so schwierig ist und enorme technologische Herausforderungen zu meistern sind, könnte der Schlüssel für Vertriebserfolg in der Produkt- und Vertriebsinnovation liegen. Prof. Dr. Michael Radtke von der Fachhochschule Dortmund beleuchtete die Risiken und Chancen. So müssen Vertriebe, die aufgrund der Nachwuchsproblematik zunehmend überaltern, dennoch junge Interessenten auch künftig erfolgreich ansprechen. Die Digitalisierung wird für Vermittlungsunternehmer zum Pflichtprogramm und bei erfolgreichem Einsatz zur Chance selbst eine Marke bei den Nutzern zu werden.

Der japanische Altersvorsorgemarkt als Vorbild?

Dr. Dirk Nieder, Vice President und Regionaler Chef Aktuar der Gen Re, berichtete über die Entwicklungen des japanischen Altersvorsorgemarkts und über Lösungsmodelle, mit denen japanische Versicherer auf die lange Periode sehr niedriger Zinsen und der zugleich sehr hohen Lebenserwartung der japanischen Bevölkerung reagieren. Die Frage, ob auch der deutsche Versicherungsvertrieb in der Personenversicherung von Japan lernen kann, ist nicht eindeutig zu beantworten. Speziell für den japanischen Markt geeignete Versicherungslösungen und die Transformation des Risikos in die Zukunft würden sich nur begrenzt zur Nachahmung in Deutschland empfehlen.

Fazit: Der deutsche Assekuranzmarkt leidet unter der Über-Regulierung. Vor lauter Pflichten bleiben für die Konzerne kaum noch Zeitfenster kreativ eigene Lösungen als Kür und Krönung zu entwickeln. Im Zeitalter der Digitalisierung ist ein starker Markenkern erforderlich, um von den Menschen in der Informations-Flut noch wahrgenommen und erkannt zu werden.

Die Positionierung als Marke, Experte und kompetenter Partner direkt an der Schnittstelle zu Nutzern und Kunden könnte für kundennahe Vermittlungsunternehmer und Versicherungsmakler schneller gelingen, als den Versicherungsunternehmen selbst. Die Digitalisierung stärkt im Online-Vertrieb eher die Vergleichsportale, Assekuradeure und einige auf das Massengeschäft spezialisierte Direktversicherer. In der klugen Strategie einer Kombination aus Online-Information und Offline-Beratung könnten die Makler und deren Genossenschaften oder Pools als Sieger hervorgehen.

Dietmar Braun