Die Ausschließlichkeit darf auch fremdgehen

04.09.2014

Gibt es die gute alte Ventillösung noch? Darf ein Vertreter ohne oder mit Erlaubnis noch fremde Versicherer anbieten, wenn sein Haus die Sparte oder die Deckung nicht anbietet. Der BGH schafft Klarheit.

2014-09-05 (fw/db) Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Grundsatz klargestellt, dass ein gebundener Vermittler ausnahmsweise Geschäft bei fremden Versicherern eindecken kann. Diese „Ventillösung“ für den exklusiven Vertrieb der Versicherer gibt es in der Praxis schon seit über ein Jahrzehnt.

Der Begriff Ventillösung etablierte sich 1992 mit einer gemeinsamen Erklärung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) und des Bundesverbands der Assekuranzführungskräfte (VGA). Darin wurde den Versicherungsunternehmen empfohlen, Ausschließlichkeitsvertretern in bestimmten Ausnahmefällen eine Vermittlung von Versicherungen an fremde Versicherer zuzulassen. Es ging in erster Linie um solche Versicherungssparten, die der Versicherer selbst nicht anbietet, oder um Risiken, die nach den Annahmerichtlinien des Versicherers nicht gezeichnet werden. Die Erklärung sah weiter vor, dass der Versicherer entweder dem Vertreter im Einzelfall eine schriftliche Genehmigung erteilt, direkt an einen fremden Versicherer heranzutreten, oder eine hauseigene Vermittlungsstelle einschaltet. Der letztgenannte Fall durfte nahezu immer angewendet werden.

Seit 2007 als die EU-Vermittlerrichtlinie in nationales deutsches Recht umgesetzt wurde, war strittig, ob solche Ventillösungen noch mit der neuen gesetzlichen Regelung des Vermittlerstatus zu vereinbaren sind. Im aktuellen Streit hatten Vertreter ohne Erlaubnis der Itzehoer Versicherungen Kranken-Zusatzversicherungen der Hanse-Merkur Versicherungsgruppe und der Barmenia Krankenversicherung angeboten, welche der eigene Versicherer als reiner Sachversicherer so nicht bieten konnte. Ein Versicherungsmakler erwirkte dagegen eine einstweilige Verfügung. Bereits das Oberlandesgericht kassierte 2010 die Verfügung wieder. Der Ausschließlichkeits-Vertreter darf im Rahmen der Ventillösung auch für andere Versicherer Geschäft vermitteln, wenn ihm das sein Versicherer erlaubt. Der Makler rief den BGH zu einer Revision an.

Der BGH stellt klar, was erlaubt ist

Der BGH hat die Frage entschieden und die Rechtslage klargestellt. Ein Ausschließlichkeitsvertreter benötigt keine Gewerbeerlaubnis (nach Paragraf 34d Absatz 1 GewO), wenn er mit Zustimmung des Versicherers Produkte anderer Versicherer vermittelt, die weder mit den Produkten des Auftrag gebenden Versicherers noch untereinander konkurrieren, sofern diese Vermittlungstätigkeit nur einen geringen Teil seiner gesamten Tätigkeit ausmacht, durch eine hinreichend bestimmt gefasste Vereinbarung mit dem Auftrag gebenden Versicherer begrenzt ist und der auch die uneingeschränkte Haftung für den Vermittler übernimmt (Az. I ZR 19/13 vom 30.1.2014).

Der BGH vertritt in der Streitfrage den Grundsatz, dass der Gesetzgeber bei der Umsetzung der EU-Vermittlerrichtlinie nicht die Praxis unterbinden wollte, dass auch gebundene Vertreter in geringem Umfang Produkte dritter Versicherer anbieten. Da das Ventilgeschäft im Gesamtgeschäft der Itzehoer geringfügig und die Ausnahme ist, müssten konzernfremde Versicherer den gebundenen Vertreter nicht erneut zum Vermittlerregister anmelden. Für die Sachkunde seiner Vertrauensleute (Vertreter) sei der Auftrag gebende Versicherer zuständig. Die Industrie- und Handelskammern (IHK), die in Fällen der gesammelten Anmeldung von Vertretern ohne Erlaubnis durch den Versicherer gar keine Gewerbeerlaubnis für jeden einzelnen Vertreter erteilt, kann daher auch die Sachkunde nicht prüfen, so der BGH.

Im Streitfall waren gleich zwei private Krankenversicherer Kooperationspartner. Dadurch bestand die Gefahr, dass ein Vertreter seinen Kunden sogar eine Auswahl unter mehreren Versicherern anbietet. Dies wäre gewerberechtlich eigentlich nicht mehr gedeckt und wettbewerbsrechtlich möglicherweise eine Irreführung. Der BGH hat in der Begründung extra darauf hingewiesen, dass die Itzehoer ihre gebundenen Vertreter auffordern muss, es „zu unterlassen, einzelnen Interessenten gleichzeitig solche Produkte anzubieten, die aus dem Angebot verschiedener Kooperationspartner stammen und untereinander in Konkurrenz stehen“. Es soll also keine unabhängige Vermittlerrolle vorgetäuscht werden, etwa einer Marktauswahl, wie diese Versicherungsmakler haben.

Die Versicherungsaufsicht lässt das fremdgehen in Grenzen zu

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat im Entwurf des Rundschreibens „Hinweise zur Zusammenarbeit mit Versicherungsvermittlern zu vertriebsbezogenen Aktivitäten und zum Risikomanagement bei dem Vertrieb von Versicherungsprodukten“ das alte Rundschreiben 9/2007 (VA) modernisiert. Die Regelung dient der Umsetzung der Geschäftsorganisation und Geschäftsleiterpflichten des Versicherers (gemäß Paragraf 64a VAG) in die Aufsichtspraxis.

In das neue Rundschreiben wird eine Regelung zu gebundenen Vermittlern aufgenommen werden, die in Ausnahmefällen Policen an fremde Versicherer eindecken („Ventillösung“). Die sei, wie auch vom BGH bestätigt, grundsätzlich zulässig. Der Haftung übernehmende Versicherer muss laut Bafin sicherstellen, „dass eine Begrenzung der Haftung im Innenverhältnis erfolgt“. Dies könne zum Beispiel über eine Haftungsfreistellungserklärung des anderen Versicherers geschehen.

Verbraucherschutz durch Haftungsübernahme

Der BGH sieht den Verbraucherschutzzweck als gewährleistet an, wenn der Versicherer, der den Vertreter als gebundenen Vertreter ins Vermittlerregister einträgt, damit „die uneingeschränkte Haftung für dessen gesamte Vermittlertätigkeit übernimmt“. Der Verbraucher sei in diesem Fall sogar besser geschützt ist, als wenn er nur einem Vertreter mit Erlaubnis und einer gesetzlichen Berufshaftpflichtversicherung gegenübersteht. Denn die Berufshaftpflichtversicherung sieht im Standard die auf die Mindestdeckung begrenzte Versicherungssummen als auch einige wichtige Ausschlüsse wie die wissentliche Pflichtverletzung vor, die uneingeschränkte Haftung des Versicherers geht da weiter und ist umfangreicher. Der Versicherer, der den Vertreter ohne Erlaubnis zum öffentlichen Registereintrag bei der IHK gemeldet hat, bleibt für die angemessene Qualifizierung seines Vertreters verantwortlich. Dies gilt auch für die fremd vermittelten Verträge. Also quasi ein „Fremdgehen mit Erlaubnis“.

Dietmar Braun