Zeichen von Panik

17.03.2020

Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei BlackRock / Foto: © BlackRock

Shutdown ist dieser Tage das eingängige Wort. Überall wird auf den Krisenmodus umgeschaltet. Ob Wirtschaft oder Normalbürger, wir sehen uns in kürzester Zeit massiven Herausforderungen gegenüber. Quasi eine neue Zeitrechnung. Doch wie können wir damit adäquat umgehen, ohne in große Panik zu verfallen? Und wann erscheint der Silberstreif am Horizont? Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei BlackRock, analysiert die Lage.

Der Beginn dieser Woche fühlte sich an wie ein Dejà Vu. Wieder war am Wochenende die Bedrohung durch das Coronavirus auf bisher unvorstellbare Weise nähergekommen und hatte gefühlt unser aller Leben verändert. Und wieder senkten die Finanzmärkte den Daumen über die Reaktion der Wirtschaftspolitik. Zuerst hatte die EZB sich am vergangenen Donnerstag bemüht, die Wogen mit einem eigentlich durchaus sinnvollen Paket zu glätten, nämlich weiteren Anleihekäufen und vor allem gezielten Kreditlinien für Unternehmen, die infolge der Krise in Schwierigkeiten geraten. Dennoch reagierte der Markt enttäuscht, vor allem wohl, weil die EZB auf die weithin erwartete Zinssenkung verzichtet hatte. Ob letztere überhaupt etwas bewirkt hätte, ist dabei ernsthaft zu bezweifeln. Ähnlich erging es jedenfalls der Fed, die Zinssenkungen im Eiltempo und in enormer Größenordnung verkündete, zunächst 50 Basispunkte am 3. März und dann am vergangenen Wochenende noch einmal 100 Basispunkte, in Kombination mit Anleihekäufen im Volumen von 700 Mrd. U.S. Dollar. Auch angesichts dieses nun wirklich massiven Eingreifens blieben Finanzmarktteilnehmer unbeeindruckt. Allein dies spricht schon dafür, dass die Coronavirus-Krise anders ist als bisherige tiefe Verwerfungen an den Finanzmärkten wie etwa die Finanzkrise 2008/09 oder der 11. September 2001. Was also ist es, das Marktteilnehmer so skeptisch macht?

Das große Problem ist, dass weder Tiefe noch zeitliche Erstreckung der Rezession, deren Beginn wir gerade erleben, absehbar ist. China, das die Verbreitung des Coronavirus in der Provinz Hubei sechs Wochen lang vertuschte und erst eingriff, als dramatisch steigende Sterbefälle zum PR-Desaster für die kommunistische Partei zu werden drohte, scheint inzwischen die Eskalation der Infektionsfälle unter Kontrolle zu haben, meldet aber dramatisch schlechte Makrozahlen für die ersten Monate des Jahres. Die Stilllegung des gesellschaftlichen und ökonomischen Lebens über Wochen schlägt sich naturgemäß in den Statistiken zu Industrieproduktion und Einzelhandel durch, und so lag am Jahresanfang der Output der chinesischen Industrie mehr als 13 % unter Vorjahresniveau, die Einzelhandelsumsätze brachen sogar um über 20 % ein. Das könnte einen ersten Vorgeschmack geben auf das, was uns für die entsprechenden europäischen Daten ins Haus steht. Immerhin sind inzwischen die dritt- und viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone, Italien und Spanien, de facto stillgelegt, und in der größten und zweitgrößten, Deutschland und Frankreich, hat sich die Aktivität massiv verlangsamt. Man muss kein Schwarzmaler sein, um mit Blick auf die gesamtwirtschaftlichen Folgen auf einiges gefasst zu sein. Und dabei ist noch nicht einmal von den USA die Rede gewesen, deren Gesundheitssystem auf die vermutlich bald stark steigende Zahl von Sars-CoV-2-Infektionen nicht vorbereitet sein dürfte.

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