Teilschutz bleibt ein Dauerbrenner

20.06.2016

Lars Brandau

„Sell in May and go away“ ist eine schöne Börsenweisheit. Aber trifft das auch zu? Die Schwankungen an den Kapitalmärkten haben jüngst wieder zugenommen. Die Großwetterlage politischer Natur (Brexit-Diskussion, US-Präsidentschaftswahl) ist aktuell heikel.

(fw) Eitler Sonnenschein sieht anders aus. In diesem Umfeld werden Teilschutz-Papiere nachgefragt. Die Hintergründe erläuterte Lars Brandau, Geschäftsführer Deutscher Derivate Verband, im finanzwelt-Gespräch. finanzwelt: Nicht nur das Wetter hält uns aktuell mächtig auf Trab, auch die Börse verlangt den Anlegern einiges ab. Zuletzt ein ordentlicher „Gewitterschauer“ bis auf 9.500 Punkte. Ist es Zeit, aus- oder doch eher einzusteigen? Brandau: Das hängt natürlich immer vom eigenen Anlagehorizont ab. Schauen wir zunächst einmal auf die Nachrichtenlage: Das noch bis Ende dieser Woche alles bestimmende Thema ist zweifellos das Referendum in Großbritannien zum möglichen Austritt aus der EU („Brexit“). Die Furcht einiger ist scheinbar groß, wie der Gleichmut anderer. Zumindest besteht die Gefahr, dass ein starker, wichtiger Partner den EU-Staatenbund verlässt. Eine EU ohne Großbritannien wäre geschwächt, auch im direkten Vergleich zu den wirtschaftlichen Playern in West (USA) und Ost (im Besonderen China). Darüber hinaus könnte der Brexit eine Art Dominoeffekt auslösen – wer ist der nächste (schwergewichtige) Kandidat, der sich mit dem Austrittsgedanken trägt? Ferner beschäftigt die US-Präsidentschaftswahl die Gemüter auf dem Parkett und die wirtschaftliche Entwicklung Chinas. Ganz zu schweigen vom Dauerbrenner der Niedrigzinsen. Alles durchaus nicht einfach für die Anleger, aber sich jetzt einfach vom Kapitalmarkt zu verabschieden, ist zu kurz gesprungen. Zumal die Alternativen fehlen. Langfristiger Vermögensaufbau muss auch Schwankungen aushalten können. finanzwelt: Die 10-jährige Bundesanleihe unter Null und auch die Renditen für Unternehmensanleihen (Investment Grade) sinken immer weiter. Brandau: Genau das ist die andauernde Realität, keine kurzweilige Momentaufnahme. Für Berater und Anleger stellt sich folglich die Frage, wohin mit dem Ersparten? Das Zinstief lässt die Deutschen langsam umdenken. Sie finden nach und nach wieder Gefallen an kapitalmarktnahen Produkten mit attraktiveren Chance-Risiko-Profilen. In diesem Zusammenhang sind Basisinvestments erste Wahl. Strukturierte Wertpapiere zählen ganz sicher dazu. Die aktuellen Marktvolumendaten stimmen hoffnungsvoll und unterstreichen wiederum die Attraktivität von Teilschutz-Papieren. Diese spielen gerade in schwankungs-anfälligen Märkten ihre Vorteile aus. Allein in den drei Produktkategorien „Aktienanleihen“, „Discount-Zertifikate“ und „Express-Zertifikate“ waren per 30.04. insgesamt 20 Mrd. Euro investiert (knapp 1/3 des insgesamt in Anlageprodukte investierten Gesamtvolumens). finanzwelt: Welche weiteren Trends bestimmten den Markt für strukturierte Wertpapiere im ersten Halbjahr? Brandau: Nicht verwunderlich befanden sich Anlageprodukte mit 100-prozentigem Kapitalschutz im Rückwärtsgang. Bei den zugrundeliegenden Basiswerten stellen wir fest, dass insbesondere Indizes als Basiswerte bei den Anlageprodukten überproportional zugelegt haben. Sie haben zum Stichtag 30.04. Aktien als Basiswerte bei den Anlageprodukten überholt.  Bei den spekulativeren Hebelprodukten sind eindeutig Rohstoffe als Underlying die Gewinner seit Jahresbeginn. Hier macht sich das „Comeback der Rohstoffe“ (Stichwort Anstieg des Goldpreises) bemerkbar. finanzwelt: 2016 jährt sich zum 10-mal die Einführung des Derivate/Fairness Kodex. Was hat es damit auf sich? Brandau: Ziel war und ist es, mit der Selbstverpflichtung der Branche zu einer sachgerechten und zielführenden Regulierung beizutragen, die einen echten Mehrwert für die privaten Anleger bietet. Deshalb haben sich der Verband und die Mitglieds-Emittenten bereits vor 10 Jahren zu ihrer ersten gemeinsamen Selbstverpflichtung bekannt; den damaligen Derivate Kodex. 2013 dann wurde das bestehende Werk noch um einige entscheidende Punkte erweitert. Der neue Fairness Kodex beinhaltet deutlich strengere Leitlinien für strukturierte Wertpapiere als zuvor der Derivate Kodex. Dies gilt insbesondere für die Selbstverpflichtung zur Kosten- und Produkttransparenz bei den Anlagezertifikaten. Mit dem Fairness Kodex hat die Branche insbesondere mit Blick auf die Regulierungsvorhaben auf europäischer Ebene ein starkes Signal gesetzt und ist in Deutschland mit gutem Beispiel vorangegangen. www.derivateverband.de