Wohnungskäufe: Warum die Selbstnutzer von heute amerikanisch denken

08.12.2023

Jörg Neuss ist CEO von ACCENTRO - Foto: © ACCENTRO

Über viele Jahre hinweg war das Bild der selbstgenutzten Wohnimmobilie schon fast romantisch-verklärt: Die eigenen vier Wände, in denen man alt wird und die später dann wiederum zur eigenen Altersvorsorge beiträgt. Zu diesem Idealbild gehörte dann auch die (klassische oder unkonventionelle) Familie in ihren späten Dreißigern mit einem oder mehreren Kindern. Leider haben Zinswende und stark gestiegene Fremdfinanzierungskosten dafür gesorgt, dass Wohneigentum für diese potenzielle Zielgruppe zunächst einmal in weite Ferne gerückt ist. Dementsprechend ist der Markt aktuell fest in der Hand der Kapitalanleger. Oder etwa doch nicht?

Wenn Selbstnutzer wie Kapitalanleger handeln

Es gibt eine bemerkenswerte Ausnahme: Selbstnutzer, die denken und handeln wie Kapitalanleger. Käufer, die so agieren, wählen ihre Immobilie nicht (primär) danach aus, ob sie ihren eigenen Vorstellungen von Wohnqualität entspricht – sondern vielmehr, ob sich der Standort demographisch und wirtschaftlich auf lange Sicht positiv entwickelt, ob die Immobilie so gelegen und geschnitten ist, dass sie auch für Mieter attraktiv wäre, und ob somit unterm Strich langfristige Wertsteigerungen verzeichnet werden können. Eine solche Entscheidung wird dann eher nicht emotional, sondern rational getroffen.

Dementsprechend suchen diese Käufer auch keine Bleibe für das gesamte Leben. Vielmehr denken und agieren sie nach amerikanischem Vorbild. In den USA ist es gang und gäbe, eine Immobilie zu erwerben, diese für zehn oder fünfzehn Jahre zu bewohnen, sie dann mit Gewinn zu verkaufen und parallel zum wachsenden Lebensstandard die nächste, größere Immobilie zu kaufen. Auf diese Art und Weise werden Wertzuwächse realisiert, während gleichzeitig die Ausgaben für die Monatsmiete wegfallen.

Die Voraussetzungen sind günstig

Während für klassische Selbstnutzer die Voraussetzungen schwierig geworden sind, stehen die Vorzeichen für „amerikanisch“ denkende aktuell ziemlich günstig. Sofern sie über ausreichend Eigenkapital verfügen, können sie die negative Preisentwicklung der vergangenen Monate für einen idealen Einstieg nutzen. Da die Mietpreise sich währenddessen konsequent weiter positiv entwickeln und der Nachfrageüberhang nach Wohnraum an Wachstumsstandorten aufgrund der ins Stocken geratenen Neubauvorhaben noch stärker wird, ist das Verhältnis aus Kaufpreis und (potenziellen) Mieteinnahmen aktuell günstig. Noch dazu ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Zinsen weiter signifikant steigen. Die Inflation im Euroraum kommt deutlich zurück, bei den Erzeugerpreisen zeigen sich sogar deflationäre Tendenzen. Ein Absinken der Zinsniveaus würde jedoch in gleichem Maße zum neuerlichen Wachsen der Verkehrswerte sorgen, wie die steigenden Zinsen für einen Abschwung gesorgt haben.

Diese Potenziale können aber nur dann ausgeschöpft werden, wenn die neuen Selbstnutzer und die dafür passenden Immobilien zusammenfinden. Hier ist also der Vertrieb gefragt, der seine Strategien, Kanäle und Botschaften umstellen muss. Ich sehe jedoch immer wieder, dass diese Umorientierung bereits weit fortgeschritten ist. Das zeigt sich auch an der Anzahl an Erst- und Folgegesprächen, die in den vergangenen Monaten wieder deutlich gestiegen ist. Während die (retrospektiv aufgestellten) Verkaufszahlen also weiter niedrig sind, wird hier bereits eifrig an der Trendwende auf den Wohnungsmärkten gearbeitet.

Gastbeitrag von Jörg Neuss,CEO von ACCENTRO