Wer hat Angst vorm schwarzen Schwan?

22.10.2024

Felix Grimme. Foto: Franzen Gerber & Westphalen Asset Management GmbH.

Gibt es das Nullrisiko, also die absolute Sicherheit? Leider gibt es die nicht, weder an der Börse noch auf dem Girokonto. Wenn Sie Ihre Aktien verkaufen und das Geld auf dem Konto parken, kann die Bank pleite gehen. Wenn nicht die Bank pleite geht, frisst die Inflation ihre Ersparnisse auf oder eine Währungsreform vernichtet ihr Vermögen. Deutschland hat im letzten Jahrhundert allein bereits viermal eine neue Währung eingeführt. Lernen Sie also mit dem Risiko zu leben und das nichts wirklich sicher ist - weder Ihre Ehe, Ihre Freundschaften, Ihre Ersparnisse noch Ihre Heimat.

Donald Rumsfeld hat im Jahr 2002 im Vorfeld des Golfkrieges eine Pressekonferenz gegeben, in der er folgendes zum Besten gab: „[…] es gibt bekanntes Bekanntes; es gibt Dinge, von denen wir wissen, dass wir sie wissen. Wir wissen auch, dass es bekanntes Unbekanntes gibt; das heißt, wir wissen, dass es einige Dinge gibt, die wir nicht wissen. Aber es gibt auch unbekanntes Unbekanntes – es gibt Dinge, von denen wir nicht wissen, dass wir sie nicht wissen.“ Die Kernbotschaft dieser Aussage ist, dass unbekannte Unbekannte bedeutende Umwälzungen hervorrufen, aber eben nicht vorhergesehen oder einfach abgewendet werden können.

Als „Schwarzer Schwan“ wird ein unvorhersehbares Ereignis bezeichnet, das über die Erwartungen an eine solche Situation hinausgeht und potenziell schwerwiegende Folgen hat. Schwarzer-Schwan-Ereignisse zeichnen sich durch ihre extreme Seltenheit und ihre gravierenden Auswirkungen aus. In der Vergangenheit gab es bereits Ereignisse, die als „Schwarzer-Schwan“ eingestuft werden konnten, wie z. B. die Subprime/Immobilien- Krise 2007 in den USA oder die Corona-Krise im Jahr 2020. Obwohl die Bedrohung durch das Coronavirus theoretisch bekannt war, zeigte die mangelnde Vorbereitung auf der ganzen Welt, dass es als „Ausreißer“ unvorhersehbar war und die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines solchen Ereignisses als gering angesehen wurde. Die Krise brachte erhebliche Konsequenzen für das öffentliche Gesundheitswesen und die Wirtschaft. Der globale Konjunktureinbruch trat aufgrund der Lockdowns und Mobilitätsbeschränkungen in extrem kurzer Zeit auf und das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist in Deutschland um fünf Prozent zurückgegangen.

Auf diesen Wirtschaftseinbruch antworteten die Regierungen der Industrieländer mit beträchtlichen Fiskalpaketen und Schulden sind auf neue Höchststände gestiegen, da die meisten Staaten in den Wachstumsjahren davor bzw. zwischen den Krisen ihre Verschuldung nicht ausreichend konsolidierten. Ende 2023 betrugen die Staatsschulden in den USA 127 Prozent vom BIP, 252 Prozent in Japan und 88,7 Prozent in der Eurozone. Die Auswirkungen der jüngsten geldpolitischen Änderungen auf die Schuldentragfähigkeit der europäischen Länder ist zurzeit noch nicht abzusehen und birgt genug Zündstoff für die Märkte (beispielsweise durch eine erneute europäische Schuldenkrise wie 2011). Aber auch neue, vor allem geopolitische Ereignisse können in Zukunft wieder zu einem „Schwarzen Schwan“ führen. 

Ein Gastbeitrag von Felix Grimme, Syndikus und verantwortlich für Akquisitionen und Kundenbetreuung bei Franzen Gerber & Westphalen Asset Management GmbH

Andere ThemenKolumne