Warten auf den Juni

30.05.2016

Dr. Martin Lück

Sell in May and go away, so heißt es doch. Dabei war der Mai diesmal gar nicht so schlecht. Der DAX legte am Freitag um 2,3 Prozent zu, der Bund-Future gewann 1,3 Prozent, kaum zu glauben angesichts der schon sehr niedrig verzinsten deutschen Staatsanleihen. Auch der Ölpreis erholte sich um mehr als 5 Prozent.

Vergleicht man also den vergangenen Monat mit dem mehr als holprigen Jahresbeginn, dann bot er geradezu goldene Bedingungen für Anleger. Das muss im vor uns liegenden Juni nicht so bleiben. Denn mit einer Ballung von wirtschaftspolitisch relevanten Risiken gerade in der zweiten Monatshälfte könnten die nächsten vier Wochen dem Wonnemonat glatt den Rang des Börsenschrecks ablaufen. Diese potentiellen Stolpersteine sind, der Reihe nach: 15. Juni: Zinsentscheidung der Fed 21. Juni: Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über OMT 23. Juni: Brexit-Referendum in Großbritannien 26. Juni: Neuwahl in Spanien Wie eine aus mehreren Lichtern bestehende Formel 1-Ampel könnten entweder diese Ereignisse eines nach dem anderen auf Grün schalten und den Weg für ein risikofreundlicheres Umfeld freimachen. Oder aber sie schalten auf Rot, und die Finanzmärkte bleiben mit Motorschaden stehen. Höchste Zeit also, sich die Entscheidungen, von denen jede einzelne das Potential für markante Kursbewegungen haben dürfte, noch mal etwas näher anzusehen. Fed-Entscheidung am 15 Juni. Wir denken, die US-Notenbank tendiert derzeit zu einer Zinsanhebung, denn die wichtigsten Makrodaten (Arbeitsmarkt, ISMs etc.) haben sich zuletzt robust gezeigt, und auch aus den Schwellenländern kommen positive Wachstumssignale, nicht zuletzt dank der konjunkturstützenden Maßnahmen in China. Wir erwarten dennoch weiterhin, dass die Fed für den Fall einer anstehenden Zinserhöhung den Markt noch weiter verbal vorbereiten wird. Eine Überraschungstaktik wäre angesichts des volatilen Umfeldes gefährlich. Die Fed dürfte deshalb um maximale Klarheit bemüht sein. BVerfG am 21. Juni. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Outright Monetary Transactions (OMT), eines Notinstruments, mit dem die EZB ggf. den starken Anstieg der Finanzierungskosten für einzelne Euro-Mitgliedsländer bekämpfen kann, ist weitgehend von den Radarschirmen von Anlegern verschwunden. Zu lange zieht sich der Prozess schon hin, und außerdem hat schließlich der Europäische Gerichtshof die Maßnahme schon abgesegnet. Allerdings ist das juristische Verfahren für jenes Instrument, das ja die technische Verkörperung von Mario Draghis berühmter Whatever-it-takes-Ankündigung darstellt, in Deutschland noch in der Schwebe. Zwar denken wir, dass das Bundesverfassungsgericht OMT letztendlich absegnen wird, allerdings könnten Auflagen, die das Gericht zur Bedingung macht, die Bondmärkte erheblich verunsichern. Eine komplette Ablehnung von OMT wäre verheerend, ist aber unseres Erachtens sehr unwahrscheinlich. Brexit-Referendum am 23. Juni. Die Meinungsumfragen sagen eine Patt-Situation voraus, wobei ein signifikanter Teil der Wähler (je nach Umfrage 15-20 Prozent) noch unentschieden ist. Befürworter des Brexit versprechen sich infolge von weniger Regulierung stärkeres Wachstum außerhalb der EU, Anhänger des EU-Verbleibs argumentieren genau anders herum und warnen vor dem Sprung ins Ungewisse. Aus Sicht der Finanzmärkte stellt letzteres ein ernstzunehmendes Risiko dar, zumal nicht bekannt ist, wie sich ein aus der EU ausgetretenes Großbritannien positionieren, insbesondere welche Handelsabkommen es mit wem aushandeln würde. Wir gehen deswegen davon aus, dass eine Bestätigung des Status Quo aus Sicht der Finanzmärkte Unsicherheit entfernen und damit positiv bewertet werden würde. Spanien-Wahl am 26. Juni. Zahlreiche Gesprächsrunden nach der Parlamentswahl am 20. Dezember hatten nicht zu einer Regierungsbildung geführt, so dass Neuwahlen notwendig wurden. Diese werden am 26. Juni stattfinden, und eine klare Mehrheit zur Regierungsbildung ist nach wie vor nicht zu erkennen. Neu ist, dass sich die reformkritische Podemos mit der kleinen sozialistischen Vereinigte Linke (Izquierda Unida – IU) zusammengetan hat zum Wahlbündnis Unidos Podemos (etwa: gemeinsam kriegen wir das hin). Zwar werden beide zusammen kaum eine Regierung bilden können, möglicherweise aber einen attraktiven Partner für andere Parteien, etwa die eher liberalen Ciudadanos oder die traditionelle Sozialistenpartei PSOE. Eine Regierungsbeteiligung von Podemos dürfte von den Finanzmärkten als Risiko dafür gesehen werden, dass Spanien Reformen zurückdrehen und damit den Erholungsprozess in Frage stellen könnte. Was bedeutet das für Anleger? Auf Anleger kommen somit ab Mitte Juni bewegte Zeiten zu. Für die kommende Woche stehen zunächst vor allem Inflationsdaten auf der Agenda. In Europa hofft nicht nur die EZB darauf, dass sich das harmonisierte Inflationsmaß HICP von seinem negativen Vorzeichen löst. Zuletzt stand der Wert bei -0.2 Prozent und damit mehr als zwei Prozentpunkte unter dem Zielwert der EZB. In Amerika sind alle Augen auf die Kernrate der persönlichen Konsumausgaben gerichtet, die zuletzt 1.6 Prozent betrug. Sollte sie sich wieder etwas beschleunigen, wäre dies ein weiteres Signal Richtung Zinserhöhung der Fed am 15. Juni.

Aktueller Blick auf die Märkte und Videokommentar von Dr. Martin Lück

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