"USA stehen tendenziell besser da als Europa"

26.02.2024

Dr. Frank Ulbricht - Foto: Copyright BCA AG

Schwache wirtschaftliche Daten (zumindest in Europa) und steigende Börsen. Wie geht es nun weiter? Geben die USA weiterhin den Ton? Und wie sind die Perspektiven des nachhaltigen Investierens? Auszüge eines Printinterviews mit Dr. Frank Ulbricht, Vorstandsvorsitzender BfV Bank für Vermögen AG und Vorstandsmitglied BCA AG.

finanzwelt: Herr Dr. Ulbricht, wie nehmen Sie die vergangene und gegenwärtige Lage an den Kapitalmärkten wahr? Ist es die sog. Ruhe vor dem Sturm?

Dr. Frank Ulbricht: Die letzten Jahre waren sicherlich alles andere als einfach. Die  Zinswende, die damit einhergehende Fokussierung auf Inflationszahlen diesseits und jenseits des Atlantiks und nicht zuletzt die zahlreichen geopolitischen Unruhen haben das Umfeld und das Investieren erschwert. Dennoch lässt sich für das Jahr 2023 festhalten, dass schlussendlich nahezu alle Anlagealternativen profitieren konnten.

Auch für 2024 blicken wir mit zuversichtlicher Haltung in die Zukunft. Mittlerweile liegt der Inflationspeak hinter uns, die Zinssenkungsphantasie ist da und der DAX klettert nebenbei von Rekord zu Rekord. Die Notenbanksitzungen haben gezeigt, dass Zinssenkungen kommen werden, aber „Geduld“ das Zauberwort der Entscheider in Washington und Frankfurt ist. Fazit: Es sieht gut aus, aber wir beobachten den Markt bewährt kritisch mit unseren Prüfprozessen und reagieren bei möglichen Stürmen mit Anpassungen.

finanzwelt: In den vergangenen Jahren ging insbesondere an den US-Märkten die Post ab. Ein Trend, der sich nach Ihrer Meinung weiter verstetigt?

Ulbricht: Auch im Frühjahr 2024 steht die USA tendenziell besser da als wir in Europa. Schauen Sie sich zum Beispiel die Arbeitsmarktzahlen oder die Stimmung in den Unternehmen an. Natürlich konzentriert sich das Börsengeschehen auf die so genannten "Magnificent 7" und andere Technologiewerte im Schlepptau. Es ist keineswegs so, dass der gesamte US-Markt nach oben gezogen wurde. Dennoch zeigt sich mehr denn je, dass KI und weitere überdauernde strukturelle Trends langfristig unsere Welt verändern. Bei diesen Werten spielt die Musik. Das gilt es mit Blick auf die Allokation und Einzeltitelauswahl zu berücksichtigen. Und bei diesen Werten haben wir auf dem europäischen Kontinent – Stand jetzt – das Nachsehen.

finanzwelt: Ein anderes Thema, das Ihnen am Herzen liegt. Als Marktkenner haben auch Sie den „ESG-Hype“ miterlebt. Dann kamen Vorwürfe des Greenwashings, das Downgraden von Fonds und Mittelabflüsse. Ist Nachhaltigkeit Geschichte?

Ulbricht: Keinesfalls, denn das Thema Nachhaltigkeit wird in unterschiedlichen Bereichen die Transformation vorantreiben. Richtig ist, dass angesichts eines stark inflationären Umfelds gepaart mit geopolitischen Krisen andere Themenfelder zumindest zeitweise stärker in den Fokus gerückt sind.  Das bedeutet jedoch nicht, dass die Bedeutung des Thema Nachhaltigkeit abgenommen hat. Die Wichtigkeit des Handels wurde nach wie vor von allen Stakeholdern erkannt. Die überbordende Bürokratie, vielleicht auch die unklare Definition von Nachhaltigkeit, beständige Vorurteile haben neben weiteren Faktoren den Nachhaltigkeitszug ins Stottern gebracht. Dennoch bleibt dieses Megathema für Anleger und Berater essenziell. (ah)

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