Unanständig hat immer Konjunktur

30.07.2014

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Die Nachrichtenlage ist derzeit aus Anlegersicht unerfreulich: Zinsen dümpeln nahe null, Diskussionen über neue Spekulationsblasen, Aktienkurse und Immobilienpreise auf Rekordniveau, dazu der Evergreen „Zusammenbruch des Euro", angebliche Hinweise einer drohenden Inflationswelle, weil die Regierungen sich entschulden wollen und gleichzeitig Deflationsängste, weil der Euro überbewertet ist…

die Reihe der Angstmacher ist beachtlich. Und was machen die deutschen Anleger? Sie werden ganz vorsichtig, sie sparen – und steigern damit ihren Anlagedruck.

Die deutschen Standardaktien sind gesucht, der DAX hat in den letzten Monaten zuvor nie erreichte Höhen erlangt. Hintergrund ist das vergleichsweise attraktive Bild der deutschen Wirtschaft mit Wachstum, kräftiger Beschäftigung und einer enormen Exportstärke, die internationale Wettbewerbsfähigkeit unterstreicht. Davon haben aber die deutschen Anleger eher wenig profitiert, wie die Analysten von Morningstar jüngst hervorhoben:

Der Aufschwung der Kurse und damit des Gewinns der Anleger ging einher mit einem kontinuierlichen Rückzug speziell der deutschen Anleger, die zwischen Mitte 2011 und Mitte 2014 insgesamt rund 6,7 Mrd. Euro aus den aktiv gemanagten Deutschland-Fonds abzogen.

Das könnte für sich genommen ein gutes Zeichen sein, denn die Anlage bei diesem Fondstyp gilt für viele Finanzprofis als unattraktiv: Der enge Index mit nur 30 Titeln lässt kaum ein eigenes Profil gegenüber dem Index durch aktives Management zu. Die naheliegende Folgerung „ETF kaufen" zogen die Anleger aber auch nicht, denn auch die passiven Deutschland-Fonds gaben netto Mittel ab. Ebenso wenig konnten die geografisch breiter aufgestellten Fonds mit den unterschiedlich gestalteten Schwerpunkten (globale Standardaktien, Länder- oder Regionenfonds, Emerging Markets) von der Umschichtung nennenswert profitieren. Diese Mittel sind tatsächlich fast vollständig aus der Wertpapieranlage abgeflossen, wie die Analysen zeigen. Sie sind zu einem kleineren Teil in den Immobilienmarkt, vor allem aber in niedrigst verzinsliche Bankprodukte wie das Sparbuch abgeflossen. Damit sind die Anleger aber auch nicht zufriedener: Die lächerlich niedrigen Sparbuchzinsen und Renditen am Rentenmarkt haben die Gier soweit angeheizt, dass immer mehr Anleger bereit sind, sich auf der Suche nach „Gelegenheiten" von ebenso glänzenden wie trügerischen Versprechungen täuschen zu lassen.

Die ganze Lage erinnert an die schwüle Atmosphäre eines „Abschleppschuppens" am späten Samstagabend – was vielleicht auch einen brauchbaren Hinweis liefert.

Denn in der momentanen Lage geht es in erster Linie darum, Regionen, Branchen und Sektoren zu finden, die sich vom allgemeinen Trend absetzen können und technisch nur geringe Korrelationen aufweisen.

Und da gilt „unanständig", wie im Vice Fund der US-Investmentfirma USA Mutuals, als durchaus aussichtsreich. „Unanständig" ist hier wörtlich gemeint: Die Anlageschwerpunkte sind Alkohol (Brauereien und Schnapsdestillen), Tabak (Zigaretten), Waffen und Unterhaltung, was vor allem aufs Zocken (Spielcasinos) zielt, aber auch Verlage und Filmproduktionen umfasst. Diese Branchen sind wirtschaftlich interessant, weil sie weniger als andere in wirtschaftlich schwierigen Zeiten leiden und (besonders) bei den Waffen andere, von der Politik her, Zyklen haben als der allgemeine Markt. So zeigt die statistische Auswertung im Horizont über 5 Jahre, dass der Fonds Aufwärtsbewegungen des Gesamtmarktes (gemessen am breiten Standard & Poor´s 550 Index) zu rund 92 % vollzogen hat, Bewegungen nach unten aber nur zu knapp 75 %. In den anderen Zeithorizonten ist der Vorteil etwas geringer, bleibt aber überall klar erhalten. Da der Vice Fund nur auf dem US-Markt gehandelt wird, ist der Aufwand bei Anlagen für deutsche Anleger hoch.

Mögliche deutsche Alternativen zum Vice Fund. Alternativ ließe sich ein Portfolio aus Einzeltiteln zusammenstellen, Brennereien, Brauereien und Waffenproduzenten gibt es auch auf dem deutschen und europäischen Markt. Lediglich bei den Casinos müsste man wohl auf die einschlägigen amerikanischen oder asiatischen Aktien ausweichen, sofern nicht ohnehin global angelegt werden soll.

Papiere der Beate Uhse AG würden ebenfalls dazu passen. Das Erotik-Unternehmen hat die 2010 begonnene Neuausrichtung weitgehend abgeschlossen und sieht erste Erfolge beim Ergebnis, was auch zu einer Stabilisierung des Aktienkurses geführt hat. Aktuell im Gespräch ist eine jüngst begebene Anleihe (DE000A12T1W6), die mit 5 Jahren Laufzeit und einem Kupon von 7,75 % ausgestattet ist. Die Emission war deutlich überzeichnet, das Orderbuch wurde vorzeitig geschlossen und der Kurs ging nach oben, aktuell auf 102,2 – was freilich immer noch eine extrem hohe Rendite und damit eben auch großes Risiko anzeigt. Dieses Papier eignet sich nur als Teil eines professionell austarierten Portfolios mit High Yield Anleihen. Als einzelne Position eines privaten Anlegers fällt die Anlage allerdings unter „Gier frisst Hirn".

Anlagen im Gesundheitsmarkt. Als Alternative zu den angeführten Überlegungen sehen wir im Gesundheitsmarkt vor allem der Emerging Markets einen Sektor, der ähnlich wie der Vice Fund Anlagen bietet, die eine gewisse Unabhängigkeit vom allgemeinen Trend vermitteln. Maßgeblich ist hier neben dem starken Grundtrend der politische Druck, der zu einem Ausbau des Gesundheitswesens zwingt und damit kontinuierlich neue Umsatzpotenziale schafft. Zudem sind die Emerging Markets nach den Korrekturen der letzten Monate wieder günstiger bewertet, die wirtschaftlichen Aussichten trotz aller Unkenrufe aber weiterhin stark, vor allem in Asien. So hat das Wachstum Chinas jüngst an Tempo wieder zugelegt und in Malaysia sah sich die Notenbank zu einer Zinserhöhung genötigt, um konjunkturelle Überhitzung vorzubeugen, während sich die Inflation noch sicher im Zielkorridor bewegt. So sehen Zeichen von Stärke aus. Praktisch alle großen Fondsgesellschaften haben solche Fonds im Angebot, besonders hervor tut sich hier JP Morgan, deren Fonds mit fünf Sternen von Morning Star ausgezeichnet sind. (mk)

Anlagestrategie - Printausgabe 04/2014