Standpunkt zur bAV-Reform

25.10.2016

Dr. Reiner Schwinger

Ein Betriebsrentenförderungsgesetz soll die Stärke der bAV – betriebliche Lösungen – fördern, nicht schmälern.

Über 80 Prozent der Großunternehmen in Deutschland bieten ihren Mitarbeitern eine bAV an. Insgesamt existieren bei deutschen Arbeitnehmern über 20 Mio. Anwartschaften auf eine Betriebsrente. Die Arbeitgeber setzen dabei vielfach auf unternehmensspezifische Altersvorsorgemodelle, um mit diesem Angebot am Arbeitsmarkt im Wettbewerb um gute Mitarbeiter zu punkten. Eine Reform, die ausschließlich auf überbetriebliche Versorgungsmodelle setzen würde, würde diesem Motiv der Unternehmen nicht gerecht. Es steht zu befürchten, dass eine solche Reform de facto das Interesse der Unternehmen an der bAV schmälern würde.

Das angestrebte Zielrentenmodell kann helfen, um Chancen und Risiken der bAV im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld gut auszubalancieren.

Soweit bislang bekannt geworden ist, wird die Reform die Einführung von Zielrentensystemen – d.h. von Rentensystemen, die eine angestrebte Rentenhöhe definieren, aber nicht garantieren – erleichtern. Zielrentensysteme können grundsätzlich dazu beitragen, die Chancen und Risiken der bAV im aktuellen Marktumfeld gut auszubalancieren. Sie sollen – bei Pensionsfonds ist dies übrigens auch schon innerhalb des jetzt bestehenden Regulierungsrahmens möglich – durch Tarifvertragsparteien so ausgehandelt werden können, dass die Interessen von Unternehmen und Mitarbeitern an möglichst gut plan- und kalkulierbaren Einzahlungs- und Auszahlungsströmen ausgewogen berücksichtigt werden.

Das Zielrentenmodell sollte allen Unternehmen auch auf betrieblicher Ebene offen stehen

Würde die Reform die Einführung von Zielrentenmodellen nur auf tarifvertraglicher Ebene zulassen, so würde vielen Unternehmen die Chance auf eine betrieblich sinnvolle und individualisierte bAV-Lösung verwehrt. Gerade Unternehmen, in denen starke Betriebsparteien schon bislang erfolgreich gute und ausgewogene Versorgungsmodelle entwickelt haben, würden dann völlig unnötig in ein Tarifkorsett gezwängt – auch dann, wenn die Tarifparteien in diesen Fällen nur einen Rahmen setzen und im Übrigen die Betriebsparteien zum Handeln ermächtigen. Diese Beschränkung auf tarifliche Vereinbarungen oder tarifliche Ermächtigungen aber kann der angestrebten weiteren Verbreitung der bAV nicht dienlich sein. Eine kollektivrechtliche Vereinbarung – ob tariflich oder betrieblich durch die Betriebsparteien – sollte genügen.

Kolumne von Dr. Reiner Schwinger, Head of the Northern Europe Region von Willis Towers Watson und leitender Geschäftsführer von Willis Towers Watson in Deutschland und Österreich