Regulierung verändert Assekuranz und Banken

01.10.2014

Der Druck auf Arbeitsplätze, Vertriebsformen und Produktlösungen habe sich durch staatliche Regulierungs-Wut erhöht. Experten erwarten ab 2015 den Verlust von Arbeitsplätzen, keine Beratung im Breitengeschäft und eine Digitalisierung der Branche.

2014-10-02 (fw/db) Auf dem 9. Nordbayerischen Versicherungstag diskutierten Experten der Assekuranz, der Banken, des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) und des Verbraucherschutzes über die Zukunft der deutschen Finanzdienstleistungsbranche unter dem Motto „Unternehmerische Handeln in Zeiten zunehmender Regulierung“.

Dr. Armin Zitzmann, Vorstandsvorsitzender der Nürnberger Versicherungsgruppe, beschrieb in der Pressekonferenz die Tätigkeit eines deutschen Versicherungsmanagers so: „90 Prozent unserer Arbeitszeit verwenden wir für die Aufgaben aus der europäischen und nationalen Regulierung und nur noch zehn Prozent für unsere eigentlichen Aufgaben als Manager einer Versicherung.“

Michael H. Heinz, BKV-Präsident, sprach für Vermittlungsunternehmer Klartext: „Politik spricht mit Verbraucherschutz, Verbraucherschutz spricht mit Versicherer, die benachteiligten sind die Vermittler. Finanzmarktwächter sollen bellen und beißen und so was wird mit 2 Millionen Euro Steuergeldern finanziert. Bei über 240.000 Vermittlern gab es beim Obmann rund 400 Beschwerden, wovon rund 200 berechtigt waren.“

Nur gut organisierte Vermittlungsunternehmer werden überleben

Aus Sicht des Vertriebs waren sich Michal H. Heinz, Präsident des BVK und Dr. Hans-Joachim Rauscher, Vertriebsvorstand der Nürnberger, einig, dass sehr viele Kleinvermittler oder Einzelunternehmer den Markt verlassen werden. Die klare Absicht deutscher Verbraucherschutz-Politik sei selbständige Vermittlungsunternehmer aus dem Markt zu drängen. Diese Marktbereinigung habe aber die Konsequenz, nur gebe es dann eben niemand mehr, der die Mehrheit der Bundesbürger in Fragen rund um die Versicherung und Altersvorsorge berate.

„Speziell die Einzelvermittler müssten sich – und dies jetzt sehr rasch – einerseits zu größeren Einheiten zusammenschließen und zugleich ihre interne Organisation massiv optimieren. Ihre Provisionseinnahmen werden aufgrund der gesetzgeberischen Maßnahmen nämlich sehr schnell drastisch sinken. Gleichzeitig steige das Volumen aus ihrer Provisionshaftung und deren deutlichen Verlängerung“, so Rauscher.

Bei letzterem widersprach Heinz dem Nürnberger-Vertriebschef Rauscher: „Einen aktuellen Anlass, Provisionssätze zu senken oder die Provisionshaftung zu verlängern, vermag ich derzeit nicht zu erkennen. Das gebe das Lebensversicherungs-Reformgesetz in der Form, wie es nun formuliert ist, schlicht nicht her.“

Verbraucherschutz setzt Assekuranz und Banken unter Druck

Über den Wettbewerb zwischen Lebensversicherer und Investmentbanken haben der Vorstand der Ergo Lebensversicherung AG und Aktuar Dr. Johannes Lörper, Verbraucherschützer Axel Kleinlein und die bayerische Bankenverbands-Geschäftsführerin Rechtsanwältin Silke Wolf im Rahmen einer Podiumsdiskussion diskutiert.

Im Mittelpunkt standen die künftige Entwicklung von Courtagen und Provisionen, der Wettbewerb zwischen Investment- und Lebensversicherungs-Lösungen in der Altersvorsorge und die Entwicklung der Assekuranz und Banken ab 2015.

„Die Politik hat alle überfahren“

Auf die Frage, ob mehr Regulierung besser für den Kunden sei, stellte Kleinlein klar: „Die Politik hat uns hierbei alle überfahren. Sowohl Verbraucherschutz als auch Versicherungs-Unternehmen sind nicht glücklich über die Geschwindigkeit, mit der die jüngsten Regulierungen von Seiten der Bundesregierung durchgeboxt wurden.“

Die Regulierung treffe vor allem kleine Privat-Bankhäuser und kleinere Volksbanken oder Sparkassen werden um eine Zwangsfusion nicht herumkommen, um den gewaltigen Regulierungs-Anforderungen gerecht werden zu können, so Bankerin Silke Wolf. „Wer soll bei einem Haus mit nur 45 Mitarbeitern denn mal eben so ein paar tausend Seiten Regularien lesen, verstehen und im Unternehmen umsetzen?“

„6,5 Kilogramm Verordnungen und Studien die in 10 Arbeitstagen durchzuarbeiten sind, das sind gerade mal 20,5 Minuten Zeit pro Seite, um es nur zu lesen. Die Kunden werden unter der Regulierung über das Lebensversicherungs-Reformgesetz (LVRG) und Solvency II leiden und nicht die Versicherer. Da werden in der Praxis Kundengelder von den Unternehmen verschoben“, befürchtet Kleinlein. „Regierungen und Gesetzgeber haben Angst sich der Diskussion mit Kritikern und den Unternehmen zu stellen“, beschreibt Verbraucherschützer Kleinlein die Regulierung.

„In Zukunft wird viel Phantasie bei den Lebensversicherern notwendig sein, um den Kunden trotz der anhaltenden Niedrigzinsphase weiterhin attraktive Produkte anbieten zu können“, kommentierte Lörper biometrischen Versicherungslösungen im Leben-Bereich. „Garantien gänzlich weglassen oder die Puffer bei den kalkulierten Kosten verringern sind sicherlich Möglichkeiten“, so der Ergo-Vorstand weiter. „Die Änderung der Zillmerung geht zu Lasten der Vermittler oder über künftig höhere Prämien zu Lasten der Verbraucher. 40 Prozent der Vermittler bei ERGO erhalten 80 Prozent ihres Einkommens aus der Lebensversicherung, das bedeutet Vermittlerunternehmer verlieren durch das LVRG 1/8 ihres Einkommens.“

Regulierung ist wie das Wetter

Das Fazit der Tagung zum Thema Regulierung hatte in der Pressekonferenz Dr. Zitzmann formuliert: „Kein Marktversagen der Versicherungswirtschaft lag vor, das eine solche Regulierungswut auslöst. Regulierung ist wie das Wetter, wir können es uns nicht aussuchen, was reguliert wird.“

Da kann der Branche der Assekuranz und Banken aus Sicht der Fachmedien nur gewünscht werden, dass irgendwann auch wieder eine Schön-Wetter-Periode kommt, idealerweise mit höheren Zinsen und mehr Freiraum für Kreativität und Flexibilität.

Dietmar Braun