RBC BlueBay AM: "Anleger merken, dass die US-Notenbank recht hatte"
02.10.2023
Mark Dowding - Foto: © RBC BlueBay AM
Die Zinsen in den USA könnten eher zu lange zu hoch liegen als verfrüht gesenkt werden, meint Mark Dowding, Chief Investment Officer bei BlueBay, RBC Bluebay Asset Management. Er sieht die Kapitalmärkte vor einer schwierigen Phase.
„Die Renditen weltweit stiegen in der vergangenen Woche auf neue Mehrjahreshöchststände. Die Anleger merken zunehmend, dass sie wahrscheinlich länger auf niedrigere Zinssätze warten müssen.
Der drohende Shutdown der US-Regierung trug ebenfalls nicht zu einer Verbesserung der Stimmung bei. Er könnte zu einer erneuten Analyse der Schuldentragfähigkeit und der zugrunde liegenden Kreditwürdigkeit führen. Wir halten dies jedoch nicht für einen wesentlichen Faktor. Konkretere Bedenken könnten sich vielmehr aus dem anhaltenden Anstieg der Ölpreise ergeben. Dieser deutet auf enttäuschende Inflationsdaten in den kommenden Monaten hin.
Der Streik von Beschäftigten der US-Automobilindustrie sorgt derweil für Besorgnis hinsichtlich steigender Löhne. US-Präsident Joe Biden befürwortet sehr hohe Lohnforderungen. Das könnte als Katalysator für stärkere Lohnerhöhungen in anderen Sektoren wirken. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) wird in dieser Hinsicht wahrscheinlich sehr wachsam sein.
Aus unserer Sicht könnte es für die Fed akzeptabel sein, die Zinsen zu lange hoch zu halten. Denn in diesem Fall hätte sie schließlich die Möglichkeit, die Zinsen zu senken und den Kurs zu korrigieren. Schwerwiegender wäre es, wenn die Geldpolitik zu früh zu stark gelockert werden würde.
In diesem Fall brächte ein Wiederanstieg der Inflation die Währungshüter in eine sehr schwierige Lage. Sie müssten möglicherweise die Geldpolitik aggressiv straffen, um die Preisstabilität wiederherzustellen. Das würde zu einer schwereren Rezession führen.
Vor diesem Hintergrund und angesichts der nach wie vor robusten Wirtschaft ist es nachvollziehbar, dass die Fed die Aussicht auf eine weitere Zinserhöhung im kommenden Quartal hervorhebt. Die Aussichten auf niedrigere Zinsen sind bis weit in die zweite Jahreshälfte 2024 gering.
In der Eurozone folgten die Renditen der Entwicklung von US-Staatsanleihen. Die Spreads haben sich ebenfalls ausgeweitet, da Risikoanlagen insgesamt unter Druck gerieten. Höhere Treasury-Renditen belasteten die Zinsaufschläge für Unternehmensanleihen sowie Aktien. Dies ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass die Marktteilnehmer immer weniger davon überzeugt sind, dass dieser Zyklus mit einer sanften Landung enden wird.
Der Anstieg der langfristigen Zinsen und der Realzinsen wirkt sich auf die Bewertungen aller langlaufenden Vermögenswerte aus und belastet die Multiplikatoren. Abwärtsrisiken für das Wachstum sind in Europa weiterhin größer als in den USA.
Wir bleiben jedoch relativ zuversichtlich, was die Rahmenbedingungen für hochwertige Kredite angeht. Weiter unten im Kreditspektrum sehen wir hingegen neue Anspannung auf uns zukommen.
Für die nächsten Wochen rechnen wir mit zunehmenden Anzeichen für eine Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit und einen etwas höheren Inflationsdruck. Das lässt kein besonders günstiges Umfeld für die Kapitalmärkte erwarten.
Im Sommer waren viele Anleger offenbar von einer sanften Landung
überzeugt und haben die Duration verlängert. Ihre Verluste werden nun
vermutlich zu Rufen führen, dass die Fed
einen Fehler gemacht hat. Eine nüchterne Betrachtung zeigt
jedoch, dass sich die Botschaften
der Zentralbanken gar nicht so sehr geändert haben. Eher gelangen die Marktteilnehmer zu der
Einsicht, dass die Fed möglicherweise die ganze Zeit recht hatte.“ (ah)