Profiteure des schwachen Euro

26.03.2015

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Der Schweizer Immobilienmarkt boomt. Trotz oder gerade wegen der Entscheidung der Schweizerischen Nationalbank (SNB), den Wechselkurs des Franken nicht mehr fest an den Euro zu koppeln. Seitdem geht der Franken gestärkt aus dieser Situation. Und der Euro sackt auf „Dollar-Niveau".

Anfang des Jahres ist Thomas Jordan, Chef der Schweizerischen Nationalbank (SNB), „der Kragen geplatzt". Er sagte dem wichtigsten Organ des Landes, der Neuen Zürcher Zeitung, er sei sich bewusst, dass die Maßnahme die Schweizer Wirtschaft vor Probleme stelle und die Finanzmärkte einige Zeit bräuchten, um sich von dem Schock zu erholen. Der Schritt sei aber angesichts des anhaltend fallenden Euro nötig gewesen, um langfristig die Kontrolle über die Geldpolitik zu behalten. Die internationale Entwicklung sei auseinandergedriftet, so Jordan. Immer mehr Geld aufzuwenden, um den Mindestkurs von 1,20 Franken zu einem Euro zu halten, wäre nicht nachhaltig gewesen und hätte die Glaubwürdigkeit der Notenbank aufs Spiel gesetzt. Punkt. Die Schweizer stehen für Entscheidungen – und sie stehen für Entscheidungen ein.

Prompt sah die deutsche Presse für die Schweiz

schon düstere Zeiten kommen.

Das Wirtschaftswachstum würde zum Erliegen kommen (Arbeitslosenquote 2014: 3,2 %!), der Tourismus einbrechen. Doch müssen wir uns wirklich Sorgen machen? St. Moritz, Davos, Klosters oder Gstaad zählen zu den teuersten und luxuriösesten Winterskiorten der Welt. Erst dann kommt Kitzbühel in Österreich. Glaubt irgendwer ernsthaft, dass sich die Reichen der Welt durch ein schwaches Euro-Franken-Verhältnis abhalten lassen werden, hier ihren Urlaub zu verbringen? Wohl kaum. Viele besitzen zudem nicht unerhebliche Vermögenswerte vor Ort. Alleine in 2014 flossen beispielsweise 2,8 Mrd. Franken in börsennotierte Immobilienanlagen oder Anlagestiftungen, zitiert die Wirtschaftswoche Beat Seger, Partner Immobilien bei KPMG Schweiz. Sie hebt hervor, dass der SXI Real Estate Funds Index 2014 um 15 % und seit Anfang 2015 nochmals um rund 9 % gestiegen ist. Der Index repräsentiert die größten Schweizer Immobilienwerte.

Was aber ist der Grund für das

hohe Ansehen der Schweiz?

Zu vermuten ist die Mischung aus wirtschaftlicher Sicherheit und hoher Lebensqualität. Mercer – mit rund 20.000 Mitarbeitern in mehr als 40 Ländern zu den führenden, globalen Anbietern von Dienstleistungen in den Bereichen Talent, Health, Retirement und Investments – befragt hierzu regelmäßig seine entsandten Mitarbeiter. Ergebnis: Zürich ist trotz der hohen Lebenshaltungskosten neben Wien die Stadt mit der weltweit zweithöchsten Lebensqualität. Genf und Bern rangieren dabei auf den Plätzen acht und dreizehn. Auch der britische Finanzkonzern HSBC befragt seine Manager. Die Schweiz wurde unter den einbezogenen 34 Ländern vor Singapur und China als Spitzenreiter in Sachen Lebensqualität ausgezeichnet. Und die wirtschaftliche Zukunft? Swatch-Chef Nicolas Hayek sagte dem Schweizer Fernsehen gegenüber wörtlich: „Solange der Dollar und die anderen Währungen stärker werden und der Euro schwächelt, ist das für uns überhaupt kein Problem." Swatch produziert zu 80 % für das Ausland. Die Stärke des Franken gegenüber dem Dollar zahlt sich hier also aus, wenngleich die Verteuerung des Exports nach Europa nicht gänzlich aufgefangen werden kann.

Hohe Immobilienpreise

In Zürich sind Dreizimmerwohnungen mit beispielsweise 90 m² in vernünftiger Lage unter 2.000 Franken Kaltmiete pro Monat kaum zu haben. In den letzten Jahren ist Wohneigentum in der Schweiz generell deutlich teurer geworden. In Zürich und Umgebung kosten Wohnliegenschaften heute über 30 % mehr als noch vor zehn Jahren. In der Stadt selbst zahlt man für eine Eigentumswohnung locker das Doppelte des Preises von 2004. Alle in der Schweiz aktiven Banken prognostizieren dabei für 2015 ein anhaltendes Anlegerinteresse an Immobilien. Ein wichtiger Grund ist die Renditedifferenz zu alternativen Anlageformen nach der Zinssenkung der Nationalbank. Die Nachfrage ist auf Rekordniveau, schreibt die Credit Suisse in ihrer Studie „Immobilienmarkt 2015".

Einwanderungsland Schweiz

Derzeit leben in der Schweiz 8,1 Millionen Bürger. Historisch betrachtet hat sich die Bevölkerungszahl seit Beginn des 20. Jahrhunderts verdoppelt. Der Zuwachs beträgt rund 1 % pro Jahr. Die Schweiz erhöht ihren Bevölkerungsanteil jedes Jahr um rund 1 %. Dieser Entwicklung kommt der Immobilienmarkt nur mühsam nach, denn Grund und Boden ist in der Schweiz teuer und wertvoll. Gerade einmal 242.000 neue Eigenheime entstanden in den letzten zehn Jahren nach Erhebungen des statistischen Bundesamtes in der Schweiz. Das Plus an neuen Mietwohnungen fiel mit 140.000 noch bescheidener aus. Die Struktur der Schweiz ist dabei ähnlich wie die in Deutschland. Nahezu die Hälfte der Bürger lebt zur Miete.

Immobilien als Kapitalanlage

Der Bau von neuen Wohnungen wird in der Schweiz begünstigt. Projektentwickler erhalten, eine vernünftige Eigenkapitalbasis vorausgesetzt, attraktive Zwischenfinanzierungen. Die finanzierende Bank springt in so einem Fall als Treuhänder ein und sorgt dafür, dass das Projekt auch umgesetzt wird. In der Schweiz gibt es keine Bauruinen. Auch Investoren können auf günstige Finanzierungen setzen. Die typische Mietrendite eines Neubaus von 4 bis 5 % wird so schnell zweistellig. „In der Schweiz ist die Nachfrage größer als das Angebot, das prägt den Markt", meint Peter Eberle, seit 30 Jahren im Schweizer Immobilienmarkt aktiv. Der Anlagedruck der Schweizer Investoren ist dabei groß. Es fehlen eben Alternativen. „Man muss aber zunächst an die Projekte kommen und das ist der Engpass", so Eberle. Es zeigt sich, dass der enge Markt oft an seine Grenzen stößt. Diejenigen aber, die „drinnen" sind, verdienen gut. (ur)

Schweizer Immobilienmarkt - Printausgabe 02/2015