Perspektiven nach dem Brexit

29.06.2016

Pascal Blanqué

Einige Tage nach dem überraschenden Brexit-Votum in Großbritannien ist nicht zu erwarten, dass sich die Unsicherheit bald legen wird – zu komplex sind die anstehenden Herausforderungen, für die es zudem keine Blaupause gibt.

Dennoch zeichnen sich in dieser Phase der Unsicherheit einige Erkenntnisse ab: 1. Beim Brexit handelt es sich um eine politische und keine finanzielle Krise. Wir befinden uns nicht in einer Situation wie 2007/2008. 2. Das globale Wachstum wird wahrscheinlich durch den Brexit beeinträchtigt. Da die Binnennachfrage der wesentliche Wachstumstreiber bleiben wird, erwarten für 2016 und 2017 ein globales Wachstum von rund 3 Prozent. 3. Die Europäische Union ist mit einigen Herausforderungen konfrontiert, die sie unserer Überzeugung nach meistern wird. Unter Druck war Europa schon immer am erfolgreichsten. Die heutige Situation ist also nicht mit der von 2011 zu vergleichen. 4. Die Zentralbanken werden ihr Engagement ausbauen. Das heißt, wir erwarten, dass die Fed die Zinsen auf absehbare Zeit nicht anheben wird und die EZB, die BoE und BoJ ihre Interventionen ausbauen. 5. Die Märkte haben erwartungsgemäß reagiert und eine Neubewertung der Risikoprämien vorgenommen. Für langfristige Investoren wird es in den nächsten Wochen interessante Einstiegspunkte geben. Die klassische Asset-Allokation vieler Investoren wird sich in diesem Umfeld künftig als ineffizient erweisen. Die Zinsen von Staatsanleihen aus Industrienationen werden künftig noch weiter im Negativbereich notieren. Sie können kurz- und mittelfristig nicht mehr als sicheres Investment für den Kapitalerhalt genutzt werden. Für Investoren folgen daraus zwei wesentliche Herausforderungen:

  • stärkere Diversifikation über Anlageklassen, Länder/Regionen, Stile etc.
  • die Suche nach Rendite wird noch komplexer

Aktien sind aus unserer Sicht essentiell, wobei in den nächsten Wochen Kaufmöglichkeiten zu erwarten sind, die graduell genutzt werden können. Kreditpapiere bieten ebenfalls interessante Risiko-Rendite-Chancen – einerseits das Investment-Grade-Segment in Europa, das durch die EZB Rückenwind erhält, und andererseits High-Yield-Bonds und Staatsanleihen aus der Peripherie. Hinsichtlich der Regionen glauben wir, dass Schwellenländer ihre Tiefstände hinter sich gelassen haben und dass sowohl bei Aktien und Anleihen Einstiegschancen bestehen. Neben Volatilitätsinvestments werden US-Treasuries weiterhin der effizienteste Hedge für Tail-Risiken sein. Selbst, wenn es unkonventionell klingen mag, sehen wir weiterhin Potenzial für europäische Aktien. Bei Assets in GBP ist vorläufig Vorsicht geboten. Es ist abzuwarten, ob sich allenfalls Einstiegschancen verstetigen. Es steht außer Zweifel, dass ein steiniger Weg vor uns liegt. Der Brexit ist dabei nur eine Herausforderung – weitere Aspekte wie die Entwicklung in China und die Wachstumsdynamik in den USA sind ebenfalls elementar. Dennoch glauben wir, dass die nun beginnende Phase interessante Opportunitäten bieten wird. Gleichzeitig sollten Anleger ihre Asset-Allokation grundlegend überdenken und Kurschancen bei risikoreicheren Anlageklassen nutzen. Weiteren Aufwind werden darüber hinaus Real Assets – also Immobilien, Private Equity und Private Debt – zur Diversifikation erfahren. www.amundietf.de