Paukenschlag aus Frankreich

27.06.2024

Vladislav Krivenkov ist Portfoliomanager der nordIX AG - Foto: © nordIX AG

Investoren von französischen Staatsanleihen haben seit Jahresbeginn bereits wenig Grund zur Freude. Durch die Neuwahl-Entscheidung von Emmanuel Macron belasten nun zusätzliche politische Unsicherheiten den europäischen Kapitalmarkt.

Noch vor wenigen Wochen waren sich viele europäische Asset Manager einig, dass der US-Wahlkampf für Volatilität am Kapitalmarkt sorgen könnte. Nach den Ergebnissen der Europa-Wahl vergangenen Sonntag, der darauffolgenden Auflösung des französischen Parlaments und das Ausrufen von Neuwahlen durch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, sind es nun politische Unsicherheiten in Europa, die den europäischen Kapitalmarkt belasten.

Kurse französischer Staatsanleihen korrigieren seit Jahresbeginn

Investoren von französischen Staatsanleihen haben seit Jahresbeginn wenig Grund zur Freude. Nachdem die sehr ambitionierten Markterwartungen an Leitzinssenkungen sowohl durch die zögerliche Inflationsentwicklung als auch durch die Zentralbank Kommunikation zerschlagen wurden und die Renditen für deutsche und französische Anleihen wieder drastisch anstiegen, gaben die Kurse der Staatsanleihen entsprechend kräftig nach. In dem Zusammenhang korrigierten seit dem Jahreswechsel die deutschen Staatsanleihen mit Fälligkeit 2033 um 4 %, während ihre französische-Pendants sogar um 5,8 % nachgaben.

Renditeaufschläge
französischer Staatsanleihen auf HöchstständenRenditeaufschläge französischer Staatsanleihen auf Höchstständen

Unter der Oberfläche der Kursentwicklung französischer und deutscher Staatsanleihen zeigt sich mit Blick auf die Rendite-Entwicklung beider Staaten eine dramatische Divergenz, wie die nachfolgende Grafik zeigt.

Quelle: nordIX, Bloomberg, eigene DarstellungQuelle: nordIX, Bloomberg, eigene Darstellung


Die seit 2020 zunehmende Staatsverschuldung Frankreichs belastet nicht nur die Refinanzierungskosten der französischen Republik, sondern führte Ende Mai auch zu einem Rating-Downgrade von AA auf AA-. Während 2010 Frankreich bei der Rating-Agentur S&P noch die Bestnote AAA vorweisen konnte und der Schuldenstand mit rund 85 Prozent mit dem der Bundesrepublik vergleichbar war, verschlechterte sich die Schuldenquote in den vergangenen Jahren weiter auf ein Niveau von rund 110 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, während Deutschland die Schuldenquote sogar auf 64 Prozent reduzieren konnte. Diese strukturelle Verschlechterung der Schuldensituation und die globalen Rezessionssorgen in 2022 ließen die Renditedifferenz zwischen französischen und deutschen Staatsanleihen einen Höchststand erreichen, welcher vorher nur im Zuge der Verwerfungen des Corona-Crashs und der „Frexit“ Diskussion in 2017 übertroffen wurde.

In die aktuelle Phase dieser strukturellen Schwäche und kurz nach der Rating-Herabstufung, kommt nun der nächste Paukenschlag: Als Reaktion auf die französischen Wahlergebnisse bei der Europa-Wahl löst Präsident Macron die Nationalversammlung auf und beruft Neuwahlen für den 30. Juni und 7. Juli dieses Jahres ein. Es droht der Beginn einer Phase politischer Unsicherheit und eines geschwächten Kapitalmarktumfelds. Der Renditeaufschlag französischer Staatsanleihen reagiert entsprechend, macht einen kräftigen Sprung nach oben und markiert einen Höchststand.

Politische Unsicherheiten belasten – trübe Sicht in die Zukunft

Die politischen Unsicherheiten in Deutschlands westlichem Nachbarland kommen zu einer denkbar ungünstigen Zeit. Saison- und Ferienzeit-bedingt ist die Liquidität am Kapitalmarkt in den Sommermonaten deutlich schwächer, sodass riskantere Assetklassen eher defensiver gepreist werden und schon kleinere Umsätze zu ausgeprägten Preisverwerfungen führen könnten. Vom zeitlichen Ablauf und von möglichen Szenarien, muss sich der europäische Kapitalmarkt wohl zunächst auf einen dreiwöchigen französischen Kurzwahlkampf einstellen. Anschließend stehen der Französischen Republik harte Koalitionsverhandlungen mit unklarem Ausgang bevor. Nicht wenige Augen sind bei den Parlamentswahlen auf das Abschneiden von Emmanuel Macrons Partei „Renaissance“ (ehemals „La République En Marche!“) gerichtet, welche bei der Europa-Wahl einen Zustimmungseinbruch verzeichnen musste. Entsprechend werden die französischen Parlamentswahlen nicht nur über die Zusammensetzung von Frankreichs Nationalversammlung bestimmen, sondern auch ein Gradmesser für die Stabilität des politischen Systems in Frankreich darstellen.

Gastbeitrag von Vladislav Krivenkov, Portfoliomanager beim Hamburger Fixed Income-Spezialisten nordIX AG. Er ist dort für den sicherheitsorientierten Anleihefonds „nordIX Anleihen Defensiv“ (ISIN: DE000A2DKRH6) verantwortlich.