Mit Telematik gläsern fahren
15.12.2016
Telematik ist die Vorstufe zum autonomen Auto, alle Daten werden erfasst. © Uli-B -
Permanente Datenerhebung vereinfacht das Risiko-Management. Die Telematik-Tarife für Fahrer und Kraftfahrzeuge liefern einen gläsernen Fahrer, zumindest wenn der Versicherte das Auto nutzt.
Rund die Hälfte aller deutschen Autofahrer wollen die neuen Telematik-Tarife von Kfz-Versicherungen nicht nutzen. Nur 40 Prozent aller Fahrer sind an den Systemen, die Versicherungsprämien je nach Fahrstil erhöhen oder senken, potenziell interessiert. So das Ergebnis eine Studie von A.T. Kearney, durchgeführt von Kantar TNS. Im Rahmen der Barometer-Studie „Mobilitätsradar Deutschland“ wurden im September 2016 mehr als 1.000 deutsche Autofahrer über 18 Jahre zu Telematik-Tarifen befragt.
„Die Skepsis gegenüber Telematik-Tarifen ist nach wie vor groß. Dennoch haben Versicherer das volle Kundenpotenzial noch längst nicht ausgeschöpft – immerhin gibt es in Deutschland rund eine Million Autofahrer, die unmittelbar zu einem Telematik-Tarif wechseln würden“, sagt Ralf Kalmbach, Partner bei A.T. Kearney und globaler Leiter des Automobilgeschäfts. Für Versicherer bedeute das, sich vor allem auf die Bedürfnisse dieser Fahrer einzustellen.
Hauptgrund für die Haltung der Autofahrer sind Bedenken zum Missbrauch personenbezogener Daten, sogenannter Mobilitätsprofile. Diese werden entweder per Smartphone oder über im Fahrzeug verbaute Telematik-Boxen direkt an den jeweiligen Versicherer gesendet. Interessiert an Telematik-Tarifen sind laut der Studie eher Frauen als Männer, eher Besser- als Weniger-Verdiener und eher jüngere als ältere Personen. Vor allem für junge Autofahrer scheint ein Telematik-Tarif attraktiv. Unter jungen Fahrern ist das Unfallrisiko besonders hoch – wer jedoch umsichtig fährt, kann durch die Datenübermittlung Versicherungsprämien sparen.
„Aus Sicht der Kunden sind vor allem direkte Kostenvorteile ausschlaggebend: 60 Prozent aller Autofahrer gehen davon aus, durch den Umstieg auf Telematik-Tarife Geld zu sparen – hier müssen die Versicherer ansetzen“, kommentiert Dr. Karl Obermair, Projektleiter und Experte für Mobilitätsservices bei A.T. Kearney.
Besonders Prämien-Rabatte seien ein wirksamer Hebel, neue Kunden für Telematik-Tarife zu werben. Bei Rabatten von 25 Prozent wären bis zu 35 Prozent der versicherten Autofahrer bereit, ihren Versicherungstarif zu wechseln. Vor allem jüngere Personen mit niedrigem Einkommen und einer hohen Affinität zu digitalen Produkten stünden einem neuen Tarif aufgeschlossen gegenüber. Ältere Personen mit höherem Einkommen blieben ihrer Versicherung dagegen eher treu.
Dass das Geschäft mit Telematik trotz vorhaltender Skepsis noch ungenutzte Potenziale birgt, zeigt sich vor allem bei Autofahrern zwischen 18 und 40 Jahren: Das Mobilitätsradar sieht in dieser Zielgruppe eine hohe Wechselbereitschaft.
Attraktive Telematik-Tarife, die beispielsweise einen Prämienrabatt beim Wechsel bieten, könnten laut Befragung bei den 18-30-Jährigen maximal 325.000, bei den 30-40-Jährigen sogar bis zu 575.000 Neukunden anziehen.
„Diese potenziell knapp eine Million Wechselkunden könnten für die Versicherungen unmittelbare Prämien im Wert von einer Milliarde Euro abschöpfen – und das pro Jahr“, schätzt Obermair.
Neben dem Argument der Prämienersparnis könnte Telematik bei den Verbrauchern auch mit direkten Sicherheits- und Bequemlichkeitsvorteilen punkten. Für rund zwei Drittel sei es wichtig, dass in Pannen- oder Unfallsituationen automatisch Hilfe organisiert wird – auch aus Kostengründen. So stufen 77 Prozent der Autofahrer mit einem Einkommen unter 1.000 Euro den Sicherheitsaspekt als sehr wichtig ein.
„Ein positiver Befund für die Versicherer: In Bezug auf Datensicherheit zeigt sich, dass jeder zweite Verbraucher Telematik-Tarifen offener gegenübersteht, solange nachvollziehbar ist, welche Daten die Versicherung wofür nutzt. Auch wenn die Angst vor Datenmissbrauch schrumpft – das Thema ‚vernetztes Auto‘ ist nach wie vor extrem erklärungsbedürftig, insbesondere worin genau der relevante Mehrwert für den Kunden liegt“, so Kalmbach.
In Zeiten, in denen immer mehr Alltagsgegenstände permanent mit dem Internet verbunden sind, sei das Kaufargument der Vernetzung längst nicht mehr ausreichend.
Die Vorteile von Telematik, z.B. Kostenersparnisse für Versicherer oder erhöhte Sicherheit, müssten daher noch besser kommuniziert werden – vor allem gegenüber jenen Autofahrern, welche die neuen Telematik-Tarife trotz permanenter Datenlieferung trauen.
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse finden Interessierte hier im Internet. (db)