Mikrokredite in der dritten Welt sind gescheitert
03.04.2016
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Neue Forschungsarbeit zeigt, dass die Mikrofinanzierung den Schuldenzyklus in armen Gemeinden verschärft.
(fw) Eine neue Studie der Cass Business School und der Western Sydney University hat die Auswirkung von Geschäftsdarlehen auf die Armut in Drittweltländern analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass die Mikrofinanzierung nicht etwa die Unternehmer dazu brachte, neue Arbeitsplätze zu schaffen, sondern zu einem höheren Schuldenniveau der bereits verarmten Gemeinden führte.
Armut ist ein großes globales Geschäft in Höhe von jährlich 33 Milliarden US-Dollar, Kurzzeitkredite, Kreditkarten und Mikrofinanzierung eingeschlossen. Noch immer leben zwischen 1,2 und 1,5 Milliarden Menschen in Armut. Über 60 Länder haben die Mikrofinanzierung zunächst als eine vernünftige Strategie der Armutsbekämpfung angesehen.
Die im Magazin Human Relations veröffentlichte Studie Microfinance and the business of poverty reduction konzentriert sich auf drei Dörfer in Bangladesch, an denen globale Trends ablesbar sind. Sie untersucht die Auswirkungen von Mikrofinanzierung auf die tägliche Arbeit der armen Landbevölkerung und deren Möglichkeiten, sich finanziell über Wasser zu halten.
„Mikrofinanzierung in armen Ländern basiert auf der Stärkung der armen Bevölkerung, indem unternehmerische Potentiale sowie jegliche Aktivitäten, die Einkommen erzeugen, gefördert werden. Daraus sollte sich ein verbesserter Zugang zum Gesundheitswesen und Bildung ergeben. Unsere Forschung zeigt aber ganz andere Ergebnisse auf“, betont Dr. Laurel Jackson von der Western Sydney University.
Auch wenn diese Mikrofinanzierung für einige Unternehmer mit Vorteilen verbunden ist, ergibt die Untersuchung, dass die allermeisten Armen der Dritten Welt nicht über die Fähigkeiten und kreativen Visionen verfügen, die notwendig sind, um erfolgreiche Unternehmer zu sein. Es erscheint geradezu „unvernünftig und unrealistisch“ anzunehmen, dass die Armen der Dritten Welt die Darlehen ausschließlich für weise Geschäftsentscheidungen einsetzen, die langfristiges Einkommen erzeugen. Zudem weist die Studie darauf hin, dass die Unfähigkeit, die Darlehen zurückzuzahlen, in Indien zu hunderten von Selbstmorden unter den Kreditnehmern geführt hat. Die Ergebnisse zeigen zudem, dass die Lage für die Betroffenen noch unsicherer wird, wenn die Darlehen im Namen der Selbstfinanzierung aufgenommen werden, so Professor Bobby Banerjee von der Cass Business School.
„Aus diesem Grund müssen wir das Thema der marktbasierten Entwicklung anders angehen, indem wir die Brille austauschen, durch die wir die Armutsbekämpfung betrachten - nicht aus der Perspektive der Kreditgeber, der Regierungsorganisationen und NGOs, sondern aus der Sicht der Empfänger der Mikrofinanzierung“, erklärt Professor Banerjee.
Bessere soziale und wirtschaftliche Ergebnisse könnten erzielt werden, wenn
- die Investition auf den Bau von Krankenhäusern und Schulen abzielte,
- lokale Geschäfte unterstützt würden, die für Arbeitsplätze sorgen und ein beständiges Familieneinkommen sichern oder
- der faire und gleichberechtigte Zugang zu Land gesichert wäre, um auch Armen zu ermöglichen, dieses gewinnbringend zu bewirtschaften.
Die Studie zeigt, dass ein kollektiver Ansatz statt individueller Finanzierung die Antwort auf die Problematik sein könnte.
„Wenn verarmte Gemeinden wirklich unterstützt werden sollen, müssen sie mehr Chancen erhalten, um ihre eigene Geschichte zu erzählen über die echte Situation, damit auf ihre tatsächlichen Bedürfnisse eingegangen werden kann. Im Grunde können wir ihnen erst richtig helfen, wenn wir ihnen zuhören“, betont Dr. Jackson.