M&G: Zinsentscheid der EZB

20.07.2016

Anthony Doyle

Im Moment scheint sich die EZB, ebenso wie die Bank of England, noch etwas Zeit zu lassen, um die Auswirkungen des Brexit beurteilen zu können. In den letzten Jahren hat sich die Wirtschaft der Eurozone langsam, aber kontinuierlich, erholt – zukünftig gibt es allerdings erhebliche Abwärtsrisiken.

So dürfte die Unsicherheit rund um den Brexit das Wachstum in Europa beeinträchtigen, ebenso wie ein steigender Ölpreis und erhöhte politische Risiken weltweit. Zudem wird die EZB das Kreditwachstum der Banken im Auge behalten, um entscheiden zu können, ob sich Belastungen des Finanzsektors negativ auf die Kreditvergabe auswirken. Da die Inflation in Europa bis ins nächste Jahr niedrig bleiben dürfte, rechnen wir im September mit weiteren Ankündigungen der EZB hinsichtlich einer möglichen Verlängerung des Anleihekaufprogramms sowie dessen Kriterien. Dabei geht es zum Beispiel um die Abschaffung der Renditeuntergrenze, die Überprüfung der Kapitalkennziffern, die Heraufsetzung der bisherigen Kaufbegrenzung auf 33 Prozent einer Emission sowie den Ankauf von Anleihen mit einer Laufzeit von mehr als 30 Jahren. Damit kann die EZB sicherstellen, dass genügend Wertpapiere für das Kaufprogramm zur Verfügung stehen. Zurzeit gibt es immer weniger Ankaufmöglichkeiten, da die Renditen der Staatsanleihen auf ein Niveau von nahe oder sogar unter dem EZB-Einlagensatz von -0,4 Prozent gefallen sind. Wir halten eine weitere Senkung dieses Satzes für unwahrscheinlich, da sich negative Zinsen ungünstig auf die Profitabilität der Banken und einen ohnehin schon belasteten Finanzsektor auswirken würden. Institutionen wie die OECD und der IWF haben bereits darauf hingewiesen, dass die Länder der Eurozone die Konjunkturaussichten mit einer Lockerung ihrer Haushaltspolitik verbessern könnten. Das gilt vor allem für Deutschland, das sich fiskalische Lockerungen am ehesten erlauben könnte. Höhere öffentliche Investitionen würden nicht nur kurzfristig die Binnennachfrage stärken, sondern auch die Wirtschaftsleistung auf längere Sicht ankurbeln, wovon auch andere Euro-Länder profitieren würden. Allerdings ist Deutschland bereits Nutznießer der ultralockeren Geldpolitik und einer schwachen Währung, so dass fiskalische Anreize unwahrscheinlich sind. Zudem gibt es in Deutschland Befürchtungen, dass man am Ende die gesamte europäische Peripherie subventionieren könnte – denn wenn der Staat seine Ausgaben erhöhen und Haushaltsdefizite in Kauf nehmen würde, hätte Deutschland keine (moralische) Autorität mehr, um Haushaltsdisziplin von den Peripherieländern zu verlangen. Europa braucht eine Kombination fiskalischer und geldpolitischer Anreize, doch eine Koordination unter den Entscheidungsträgern erscheint unerreichbar. Ohne diese wird es Europa allerdings schwerfallen, einen höheren Lebensstandard für die 340 Millionen Bürger zu erreichen.

Ein Kommentar von Anthony Doyle, Investment Director, Retail Fixed Interest, M&G Investments zur Zinsentscheidung der EZB am 21. Juli 2016

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