Hausratversicherung: Kennen Sie die Tresorklausel?
19.01.2022
Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Gewerblichen Rechtsschutz, Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Parnterschaft mbB / Foto: © Jöhnke und Reichow Rechtsanwälte
Das OLG Hamm entschied zur ausnahmsweise bestehenden Beratungspflicht bei einer risikobegrenzenden Tresorklausel in der Hausratversicherung (OLG Hamm, Urt. v. 13.05.2020 - 20 U 266/19).
Der Sachverhalt vor dem OLG Hamm
Der Versicherungsnehmer will seinen Hausratversicherer in Anspruch nehmen. Bei einem Einbruch wurde Schmuck im Wert von 52.000 Euro gestohlen. Der Schmuck wurde nicht im Tresor gelagert. Der Versicherer leistete eine Entschädigung in Höhe von 21.000 Euro, weist aber weitere Ersatzpflichten von sich.
Der Versicherungsvertrag enthält folgende „Tresorklausel“:
„Ferner ist die Entschädigung für folgende Wertsachen je Versicherungsfall (Ziffer 3) begrenzt, wenn sich diese außerhalb verschlossener mehrwandiger Stahlschränke mit einem Mindestgewicht von 200 kg und auch außerhalb eingemauerter Stahlwandschränke mit mehrwandiger Tür, oder außerhalb besonders vereinbarter sonstiger verschlossener Behältnisse mit zusätzlichen Sicherheitsmerkmalen befinden, auf
– […]
– 21.000 € insgesamt für Wertsachen gemäß Ziffer 1.2.3.“
Der Versicherungsnehmer hielt diese Klausel für unwirksam und berief sich hilfsweise auf eine Schlechtberatung durch den Versicherungsagenten bei Abschluss. Das OLG Hamm gab dem Versicherungsnehmer Recht.
Sind die sogenannten „Tresorklauseln“ wirksam?
Die Tresorklauseln sind zwar rechtlich wirksam. Sie verstoßen nicht gegen AGB-Recht und sind nicht überraschend oder unangemessen benachteiligend. Klauseln dürfen im Einzelfall nicht einem einzelnen Versicherungsnehmer besonderes Verhalten abverlangen. Dies ist bei einer Tresorklausel nicht der Fall, der Verlust der Versicherungsleistungen wird nicht an ein konkretes nur den einzelnen Versicherungsnehmer betreffenden Verhaltens abhängig gemacht.
Besteht ein Schadensersatzanspruch wegen Schlechtberatung?
Es kam vorliegend ein Schadensersatz wegen Schlechtberatung des Versicherungsagenten in Betracht. Der Versicherer muss sich die Schlechtberatung seiner Agenten gem. §§ 6 Abs. 1 VVG, 278 BGB zurechnen lassen. Der Agent stellte im Wege der Beratung fest, dass der Versicherungsnehmer Schmuck in seinem Besitz hatte, der seinem Gesamtwert nach die Wertsachengrenze von 21.000 Euro überschreitet und tatsächlich 52.000 Euro Sachwert hatte. Insofern stellte der Agent eine vermeintliche Deckungslücke fest, denn der Sachwert musste in Höhe von 52.000 Euro versichert werden.
So wurde die Wertsachengrenze um über 50 % der ursprünglichen Versicherungssumme erhöht und Schmuck im Wert von 52.000 Euro versichert. Hierbei beriet der Agent den Versicherten aber nicht dahingehend, dass diese Wertsachenerhöhung komplett ins Leere läuft, wenn sich der Schmuck nicht im Tresor befinden würde - der Schmuck gilt somit nur in Höhe von 52.000 Euro versichert, wenn sich dieser sich im Tresor befindet.
Die Wertsachengrenze bleibt bei einer Entwendung außerhalb des Tresors faktisch bei 21.000 Euro. Im Unterschied zum zunächst erfolgten Vertragsangebot der Beklagten konnte die Klägerin daher ihren Schmuck nicht mehr vollumfänglich außerhalb eines Tresors aufbewahren, ohne hierdurch einen Großteil des Versicherungsschutzes zu verlieren. Hierauf hätte der Agent der Beklagten hinweisen müssen, da sich hieraus aufgrund der konkreten Bedarfssituation ein Anlass ergab. Eine etwaige Beratung unterblieb. Diese Schlechtberatung wurde auch ursächlich für den konkreten Schaden des Versicherungsnehmers. Ein Mitverschulden fällt dem Versicherten nicht zu Last, da in Beratungssituationen nur ausnahmsweise eine Mitwirkungspflicht des Versicherungsnehmers entsteht.
Fazit und Hinweis für die Praxis
In der Hausratversicherung gelten nicht alle Wertsachen uneingeschränkt als versichert. Wird der Versicherungsschutz an Sicherheitsvorkehrungen gekoppelt, gilt es den Versicherungsnehmer ausreichend zu beraten. Eine konkrete Beratungspflicht hinsichtlich Tresorklauseln entsteht dann, wenn beachtliche Deckungslücken entstehen durch eine missverständliche oder unvollständige Beratung. Leistet eine Versicherung nicht, sollte zwingend ein Fachanwalt für Versicherungsrecht im Streitfall konsultiert werden.
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Kolumne von Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht & Gewerblichen Rechtsschutz & IT-Recht, Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte