Für Europa bleibt der Wille zur Hoffnung auf Veränderung

20.01.2025

Harald Sporleder. Foto: © Lingohr & Partner Asset Management.

2025 könnte zum Scheideweg gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Veränderungen werden. Während Kapitalmarktstrategen oft wirtschaftliche Trends betonen, wird der Fokus in diesem Jahr stärker auf politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen liegen. Diese werden die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen prägen und zu einer grundlegenden Neujustierung führen, die eher einem logischen Konstrukt folgen werden.

Länder wie Argentinien zeigen, dass wirtschaftlicher Erfolg auch unter schwierigen Bedingungen möglich ist. Dies setzt politische Führer unter Druck, die in bürokratisch erstarrten und sozialstaatlich überlasteten Systemen agieren. Italien, lange als instabil wahrgenommen, zeigt erste Anzeichen wirtschaftlicher Stabilisierung – ein Beispiel, das andere Länder inspirieren könnte. Viele europäische Staaten müssen sich stärker auf interne Herausforderungen konzentrieren, statt externe Ablenkungen zu priorisieren. Insbesondere Deutschland, Frankreich und Großbritannien stehen vor der Aufgabe, sich aus einer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Marginalisierung zu befreien. Gesellschaftlicher Druck könnte hier politischen Handlungswillen erzwingen.

Die Wiederwahl von Donald Trump symbolisiert eine Zeitenwende in der Demokratie. Die politische Landschaft weltweit zeigt zunehmend autoritäre Züge, die Unsicherheit schüren und Investoren verunsichern. Die wirtschaftliche Entwicklung steht in vielen führenden Ländern nicht mehr im Zentrum der politischen Agenda. Europa und China müssen aus ihrer wirtschaftlichen Stagnation ausbrechen, um langfristig konkurrenzfähig zu bleiben. Kapital fließt dorthin, wo politische und wirtschaftliche Stabilität glaubhaft vermittelt wird. Der Ukrainekrieg bleibt eine humanitäre Katastrophe, bietet Europa aber auch die Chance, sich als eigenständiger Akteur zu positionieren. Ein Wiederaufbau ohne direkte NATO-Beteiligung könnte die europäische Einheit stärken. Gelingt es Europa, diese Rolle glaubwürdig zu übernehmen, könnte eine neue Dynamik entstehen, die wirtschaftliche und politische Impulse setzt.

Deutschland und andere europäische Staaten stehen vor der Aufgabe, wirtschaftliche Stabilität und Wachstum wiederherzustellen. Die Schuldenbremse könnte gelockert werden, um gezielte Investitionen zu ermöglichen, die Innovation und Wettbewerbsfähigkeit fördern. Erste Anzeichen zeigen, dass internationales Kapital auf positive Signale aus Europa reagiert. Länder wie Argentinien und Italien haben bewiesen, dass klare Reformen von Investoren honoriert werden.

Auswirkungen auf die Kapitalmärkte

2025 wird auch ein Jahr der Neuordnung in den Finanzmärkten. Unternehmen mit großen Finanzreserven werden strategische Investitionen tätigen, um ihre Marktposition zu stärken. Gleichzeitig kämpfen Private-Equity-Firmen mit erschwerten Bedingungen, insbesondere beim Verkauf von Beteiligungen. Die Passivierungsstrategie an den Aktienmärkten hemmt Innovationen und führt zu Bewertungsproblemen. Die Zinsmärkte signalisieren eine Zeitenwende: Die Ära billigen Geldes geht zu Ende. Länder wie die USA, Frankreich und China müssen ihre hohen Schulden finanzierbar halten. In den USA wird Trump mit den Realitäten der Finanzmärkte konfrontiert werden, die unabhängig von politischen Interventionen die Konditionen für Neuverschuldung bestimmen. Seine Wirtschaftspolitik könnte sich langfristig als Pyrrhussieg erweisen, da schuldenfinanzierte Programme nicht nachhaltig wirken, wenn sie auf einem instabilen Fundament stehen.

Der Jahresausblick 2025 zeigt, dass traditionelle Anlagestrategien neu bewertet werden müssen. Value-Investments, die im Jahr 2024 wenig Beachtung fanden, könnten eine Renaissance erleben. Ein ausgewogenes Portfolio aus Substanzwerten bietet Stabilität und Renditepotenzial, auch in einem herausfordernden Umfeld. Das Jahr 2025 wird also von fundamentalen Umbrüchen geprägt sein. Der Erfolg wird davon abhängen, ob Gesellschaften, Märkte und politische Akteure ihre Entscheidungen an langfristigen Zielen ausrichten und dabei den Willen zur Veränderung zeigen.

Zehn Kernthesen: Zentrale Dynamiken im Jahr 2025

1. China: Wendepunkt oder „Schwarzer Schwan“

Die chinesische Wirtschaft steht vor tiefgreifenden strukturellen Herausforderungen. Das bisherige Modell der kapitalistischen Planwirtschaft stößt an Grenzen, und die herrschende Kommunistische Partei wird sich zwischen Reformen und Status quo entscheiden müssen.

Ein Richtungswechsel könnte China jedoch als wirtschaftliche Supermacht konsolidieren und Investoren neue Perspektiven bieten.

2. Die wirtschaftlichen Konturen von Trump

Die Wiederwahl von Donald Trump setzt neue Akzente in der US-amerikanischen Wirtschaftspolitik. Seine Agenda der De-Globalisierung führt zu Ineffizienzen und einer Fragmentierung der globalen Märkte. Regionen und Unternehmen müssen zunehmend doppelte Strukturen aufbauen, um geopolitische Risiken zu kompensieren, was Kapitalallokationen erschwert und Renditen schmälert.

3. Europa: Im Abwärtstrend der J-Kurve

Europa befindet sich an einem kritischen Punkt wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung. Steigende Arbeitslosigkeit, eine ungelöste Migrationskrise und ein Rechtsruck destabilisieren die europäische Einheit. Gleichzeitig wächst der Wille zu mehr nationaler Selbstbestimmung, was eine Reform des europäischen Systems unausweichlich macht. Ein Scheitern könnte die globale Wettbewerbsfähigkeit Europas langfristig gefährden.

4. Deutschland und die Schuldenbremse

Die erwartete Lockerung der deutschen Schuldenbremse nach den Bundestagswahlen und könnte einen wirtschaftlichen Impuls auslösen. Die Kapitalmärkte werden die Ausgestaltung der Flexibilität genau beobachten, was zu einer Ausweitung der Kreditrisikoprämien führen könnte. Eine sinnvolle Allokation der Mittel wird entscheidend sein, um Innovationen und Wachstum zu fördern, ohne die langfristige Stabilität zu gefährden.

5. Ukrainekonflikt: Verhandlungen statt Krieg

Der Ukrainekrieg bleibt ein humanitäres und geopolitisches Drama. Eine militärische Lösung ist ausgeschlossen, und die USA werden als zentrale Akteure eine politische Einigung vorantreiben. Für Europa bietet der Wiederaufbau der Ukraine eine Chance zur wirtschaftlichen und politischen Stärkung. Eine geeinte Unterstützung könnte Europa als strategischen Akteur positionieren und das Vertrauen der Märkte in die Region stärken.

6. Die Signale der US-Zinsmärkte

Der US-Anleihemarkt zeigt zunehmende Anzeichen von Stress. Trotz nominaler Zinssenkungsmöglichkeiten bleibt der Handlungsspielraum der Federal Reserve begrenzt, da die Marktrenditen von Anlegern dominiert werden. Eine mangelnde Entlastung des USHaushalts könnte die Dollarstärke schwächen und das globale Finanzsystem destabilisieren. Der Realitätscheck für die USA wird zu einer zentralen Herausforderung des Jahres 2025.

7. Steigender Öl-Output als geopolitisches Instrument

Die USA werden versuchen, die Inflation durch eine Erhöhung der Ölproduktion zu bekämpfen. Dies dient nicht nur der Kontrolle der Energiepreise, sondern auch der Schwächung des OPEC-Monopols. Eine solche Strategie könnte kurzfristig Druck auf die Importpreise mindern, langfristig aber geopolitische Spannungen verschärfen und die Marktvolatilität erhöhen.

8. Gold als Fluchtwährung

Gold wird 2025 weiter an Bedeutung gewinnen, insbesondere durch die strategischen Bemühungen der BRICS-Staaten, sich von der Dominanz des US-Dollars zu lösen. Eine zunehmende Goldunterlegung könnte die Attraktivität alternativer Währungen stärken und das Vertrauen in diese Märkte fördern. Gleichzeitig bleibt Gold eine verlässliche Anlageklasse in einem von Unsicherheiten geprägten globalen Umfeld.

9. Blockchain: Technologischer Durchbruch

Die Blockchain-Technologie wird ihren wirtschaftlichen Durchbruch erleben, da die Vorteile in Effizienz und Transparenz immer deutlicher werden. Unternehmen und öffentliche Institutionen könnten 2025 verstärkt auf Blockchain-Lösungen setzen, um Kosten zu senken und Prozesse zu optimieren. Der gesellschaftliche Druck, diese Technologie zu nutzen, wird die Entwicklung beschleunigen und neue Investitionsmöglichkeiten schaffen.

10. Das Ende des Goldilocks-Szenarios

Die Ära stabilen, moderaten Wachstums nähert sich ihrem Ende. Technologische Fortschritte werden zunehmend zyklischer Natur und unterliegen Wachstumssättigungen. Investoren werden sich auf attraktive Bewertungsniveaus konzentrieren, bei denen fundamentale Ertragsverbesserungen im Vordergrund stehen. Eine Rückkehr zu rationaleren Bewertungsmaßstäben könnte 2025 eine Neubewertung der Märkte einleiten.

Gastbeitrag von Harald Sporleder, Chief Investment Officer (CIO) der Value-Boutique Lingohr Asset Management.